Salzburg - "Den Alltagsstaub von der Seele zu waschen, das ist uns heuer oft gelungen", so die Präsidentin der Salzburger Festspiele, Helga Rabl-Stadler, am Donnerstag bei einer Bilanz: "Es war ein wunderbarer und beglückender Sommer, und ich weiß schon, dass man uns da wieder Selbstzufriedenheit unterstellen wird. Aber wenn wir hier selbstkritisch sind, dann sagen alle bloß, 'seht, sie geben zu, dass vieles schlecht war'".

Die Platzauslastung der am Sonntag zu Ende gehenden Festspiele werde bei 93 Prozent liegen. Bei 195 regulären Veranstaltungen, einer verkauften Generalprobe und 30 Sonderveranstaltungen wurden 225.831 Besucher gezählt, mit den 26.385 Besuchern von 27 Einlass- und Generalproben ergibt dies gesamt 252.216 Besucher. Mit 25,1 Mio. Euro Gesamteinnahme erzielte man heuer die zweithöchste Einnahme der Festspielgeschichte, übertroffen nur vom Mozartjahr 2006. Wie Wirtschaftsdirektor Gerbert Schwaighofer weiters erklärte, kamen Besucher  aus 68 Nationen, 33 davon liegen außerhalb Europas. Besonders punkten konnten die Festspiele heuer beim russischen Publikum, dort wurden um 68 Prozent mehr Karten verkauft als je zuvor.

Von "bewegend und toll" sprach auch Intendant Jürgen Flimm, auch wenn "das Stolpern heuer inbegriffen war". Flimm meinte damit den rundum durchgefallenen "Otello" von Riccardo Muti und Stephen Langridge, der für 2009 überarbeitet werden soll. "Don Giovanni" im Wald ist laut Flimm "irrsinnig gut aufgegangen", die Don-Giovanni-Regisseure wie Otto Schenk, Stephan Herheim oder Willy Decker seien förmlich in die Knie gegangen, wie es der Salzburger Opernintendant formulierte.

Konzertchef Markus Hinterhäuser sagte, "das Publikum der Salzburger Festspiele sei gar nicht so schlecht und folge den schwierigen programmatischen Schwerpunkten mit unglaublicher Konzentration. Schauspielchef Thomas Oberender lobte sein "Programm der Pluralität von Formaten" und sprach vom Versuch, Theater am Puls der Zeit nur für Salzburg zu schaffen, das Grund gibt, hierher zu fahren.

Projekte für 2009

Die Details zum Festspiel-Programm 2009 werden im November veröffentlicht, aber viele konkrete Entscheidungen haben Intendant Jürgen Flimm, Schauspielchef Thomas Oberender sowie der Leiter des Konzerts, Markus Hinterhäuser am Donnerstag beim Pressegespräch doch schon verraten. So will Flimm Händels "Theodora" von Regisseur Christof Loy im Großen Festspielhaus präsentieren, Ivor Bolton soll dabei das Freiburger Barockorchester und den Salzburger Bachchor dirigieren.

Außerdem ist "Moise et Pharaoh" von Gioachino Rossini geplant, Riccardo Muti ist der musikalische Leiter, der Regisseur steht noch nicht fest. "Mit Mutis 'Moise et Pharaoh'-Produktion an der Mailänder Scala vor ein paar Jahren war ich auch alles andere als einverstanden", so Flimm auf die journalistische Einwände, "aber unsere Produktion wird von der Altägyptologie befreit und ästhetisch ganz anders aussehen, da können Sie beruhigt sein."

Unter dem Arbeits-Motto "Das Spiel der Mächtigen" will Flimm Haydns "Armida" aus dem Vorjahr überarbeiten (ebenfalls das Team Loy und Bolton) sowie den "Figaro" (am Pult: Daniel Harding) von Claus Guth aus dem Jahr 2005 wieder aufnehmen. Außerdem wird Claus Guth seinen Da-Ponte-Zyklus mit einer neuen "Cosi fan Tutte" vervollständigen, die musikalisch von den Philharmonikern und Adam Fischer gestaltet werden soll.

"Was passiert, wenn Gott kommt?"

Als zentrale Neuproduktion des Festspielsommers 2009 ist "Al gran sole carico d'amore" von Luigi Nono angekündigt. Die Britin Katie Mitchell soll diese patchworkartige Collage mit Video und Installation für die Felsenreitschule in Szene setzen, und "Nono-Experte" Ingo Metzmacher wird die Philharmoniker dirigieren. "Dieses Werk ist neben 'Die Soldaten' von Bernd Alois Zimmermann die bedeutendste Oper aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und das Herzstück der Festspiele 2009", so Flimm.

Oberender, der sich heuer die Frage, "was passiert, wenn Gott tot ist?" auf die Fahnen geschrieben hat, will 2009 einen Schritt weitergehen und fragen "was passiert, wenn Gott kommt?" Dazu soll "Die Bakchen" von Euripides aus dem Jahr 406 vor Christus im Landestheater gezeigt werden, und zudem hat Oberender ein neues Stück von Peter Handke angekündigt, wobei es sich wohl nur um Handkes aktuelle Auseinandersetzung mit Samuel Beckett, "Bis der Tag euch scheidet, oder eine Frage des Lichts" handeln kann. Als "Dichter zu Gast" will Oberender Daniel Kehlmann einladen und mit ihm ein literarisches Programm mit Österreich-Akzent präsentieren.

Im Konzert wird den Komponisten Haydn, Liszt und Varese ein Schwerpunkt gewidmet sein, wie Hinterhäuser durchblicken ließ. "Haydn, weil Beethoven ohne ihn nicht denkbar wäre, Liszt, weil er sich so hervorragend zum unendlich weiter- und zurück-denken eignet, und Varese, weil er mit Strauss und Hofmannsthal verbunden war und eine einsame Pionierstellung in der Moderne innehat." Brendel wird eine "Schule des Hörens" gestalten und - allem Abschiedskonzert von Salzburg zum Trotz - auch selbst am Klavier zu hören sein.

Dann ist ein Zyklus der neun Beethoven-Symphonien von Paavo Järvi und der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen geplant. "Das ist das Tollste, was seit vielen Jahren mit Beethoven passiert ist", wie Hinterhäuser erläuterte. Die traditionsreichen Konzerte der Wiener Philharmoniker werden unter anderem von Harnoncourt, Muti und Gustavo Dudamel geleitet, "weil das der charismatischste Dirigent seit Leonard Bernstein ist", so Hinterhäuser. Und das West-Eastern Divan Orchester von Daniel Barenboim wird - so wie 2007 - den Status Orchestra in Residence bekommen, genau wie Les Musiciens du Louvre aus Grenoble und ihr Chef Marc Minkowski.

Alle Sponsoren bleiben

Präsidentin Rabl-Stadler  kündigte an, dass alle fünf Haupt-Sponsoren im Boot bleiben werden. Nestle, Audi und Credit Suisse haben laufende Verträge und auch Siemens und Uniqa hätten die Fortsetzung ihrer Mitarbeit zugesagt. Die öffentlich sichtbare und vielfach kritisierte Präsenz vor allem des Hauptsponsors Audi wird  bleiben, wie Rabl-Stadler erläuterte. "Es mögen im Detail ein paar Fehler passiert sein, etwa die Auffahrt des Fuhrparks vor einem Festspielhaus während im anderen Haus gerade Pause war. Aber alles in allem ist die Präsenz von Audi absolut nicht aufdringlich. Mich stören die Fahrradständer vor dem Festspielhaus viel mehr." Kritik an einem Sponsor gab es vonseiten der Festspiele aber auch: "Ich gebe zu, die Einladung eines alternden Fernsehserienstars (Joan Collins, Anm.) hat mich befremdet. Ich werde versuchen, unserem sonst so sensiblen Projekt-Sponsor Montblanc klar zu machen, dass das für die Festspiele kontraproduktiv war", sagte Rabl-Stadler. (APA)