Die Schultaschen sind schon fast gepackt, die Arbeiterkammer hat dankenswerterweise die Kosten für die Grundausstattung eines Erstklasslers zwischen 46 und 184 Euro eruiert und den überraschenden Rat gegeben, "Vergleichen lohnt sich".

Bleibt noch mein "ceterum censeo": Wie jedes Jahr fehlt in dieser Grundausstattung das wichtigste Kulturwerkzeug unserer Zeit, das Notebook für jede Schülerin und jeden Schüler von der ersten Klasse an.

Finanzierung

Eines der Hauptargumente, das dem stets entgegengehalten wird, sind die angeblich unfinanzierbaren Kosten für die digitale Ausstattung ab der ersten Klasse für jedes Kind. Dieser Einwand wurden jetzt durch den heimischen Wahlkampf entkräftet: SPÖ und ÖVP wollen den Familien jährlich zum Schulstart eine "13. Familienbeihilfe" zukommen lassen.

Abgesehen davon, dass dies eine Mogelpackung ist, da damit nicht einmal der Inflationsverlust seit der letzten Anpassung des Kindergeldes ausgeglichen würde: Auf drei Jahre umgelegt deckt dies etwa die Kosten eines 300-Euro-Notebooks, wie es ein Kind in der Volksschule brauchen würde. Wenn schon Zuckerln im Wahlkampf erfinden, dann bitte solche mit nachhaltiger Wirkung.

Pisa voraus

Übrigens wird der nächste Pisa-Test, dessen für Österreich meist mittelmäßigen Ergebnisse gern mit ritueller Selbstzerknirschung begleitet werden, einen eigenen Teil für "Digital Literacy" umfassen - also die digitalen Lern- und Schreibkenntnisse der Schüler testen. Früh übt sich, wer hier gut abschneiden will.

Natürlich geht es nicht darum, bei OECD-Test-ergebnissen zu glänzen. Es geht darum, dass die Schule die wichtigste Kulturtechnik seit Gutenbergs Buchdrucktechnik und der industriellen (und damit billigen) Produktion von Papier und Schreibzeug weitgehend ignoriert. Mein üblicher Zusatz: Gemeint ist die Schule als System, nicht gemeint sind gute Initiativen einzelner Schulen, Klassen, Lehrerinnen und Lehrer. Ein oder zwei Computer pro Klasse oder ein Computerraum pro Schule: Das wäre so wie ein paar Bücher pro Klasse oder eine Handbibliothek für alle Kinder, und geschrieben wird nur im "Schreibsaal".

Anarchie im Klassenzimmer

Computern und Internet wohnt etwas Wildes, Anarchistisches inne. Der südafrikanische Computerwissenschafter Seymour Papert, der viele Jahre mit dem Entwicklungspsychologen Jean Piaget arbeitete und jetzt am MIT einer der Entwickler und Proponenten des "100-Dollar-Laptops" für Kinder ist, nannte sie die "Maschine der Kinder" - weil sich Kinder in das Geschehen am Bildschirm versenken können (anders als TV ein aktives Versinken), und weil Internet ein unerschöpflicher Quell zur Befriedigung kindlicher Neugier ist.

Gerade darin liegt für viele, denen diese Welt (noch immer) fremd ist, das Bedrohliche. Dies versucht man dann mit "Computerführerscheinen", Klassen, Lehrplänen und Prüfungen in den Griff zu bekommen - ein völlig untauglicher Zugang zu dieser Kulturtechnik, die sich hunderte Millionen Menschen ohne formale Instruktion in den vergangenen Jahrzehnten angeeignet haben. Einmal angeeignet, öffnen PC & Internet auch völlig neue Wege, Wissen zu erschließen, kreativ zu sein- siehe Google, siehe Wikipedia, siehe YouTube.

Google-Bashing ist dabei in den vergangenen Jahren in geworden: Wir verblöden angeblich alle, weil dank Internet nicht mehr gedacht, sondern nur noch kopiert wird; weil wir nicht mehr lesen, sondern nur noch surfen können.

Alter, falscher Hut

Einwände begleiteten alle großen Änderungen der Kulturtechniken: Sokrates beklagte den Verlust des "richtigen Wissens", das man nur in sich tragen könne, durch das geschriebene Wort. Das "Überangebot an Büchern könnte den Menschen weniger gelehrt machen", befürchtete der italienische Humanist Hieronimo Squarciafico, der sich um den Druck der lateinischen Klassiker bemühte. Und so weiter und so fort, man kann die Einwände googeln.

Das Notebook gehört in jede Schultasche, das Internet ins Klassenzimmer. Nicht gedankenlos, sondern um Gedanken zu erforschen und dem Denken Raum zu geben. (Helmut Spudich, DER STANDARD/Printausgabe vom 28.8.2008)