Da konnte auch Alexander Van der Bellen nicht widerstehen: "Wenn es Ihnen die Leserbriefspalte in der Krone nahelegt, würden Sie auch Rot-Blau machen", warf der Grünen-Parteichef seinem roten Gegenüber entrüstet vor. Werner Faymann blickte konsterniert. Dann sprach er seinen Stehsatz, den er in den vergangenen Wochen ständig von sich gibt, ohne ihn groß zu variieren: Keinen einzigen Tag würde er mit dieser Strache-FPÖ eine Koalition machen.

Offensichtlich glaubt man Faymann nicht. Sonst würde die Anschuldigung einer rot-blauen Annäherung nicht täglich wiederholt werden, meist von der ÖVP.

Und offensichtlich gibt es nichts Schlimmeres, was man Faymann (abseits der Koalition mit der Krone) zutraut als eine Koalition mit den Freiheitlichen - "mit dieser Strache-FPÖ", um den Pedanten Genüge zu tun.

Kann man Faymann in dieser Frage glauben? Es wäre ein starkes Stück, wenn er jetzt hundertmal beteuert, mit Strache keine Koalition einzugehen und es nach der Wahl doch tut. Faymanns Glaubwürdigkeit wäre dahin, und die SPÖ würde es mit großer Wahrscheinlichkeit zerreißen. So gesehen ist Rot-Blau schwer denkbar.

Andererseits, und hier muss man eine Spekulation über ein mögliches Wahlergebnis bemühen: Angenommen, die SPÖ kommt auf ein Ergebnis um die 30 Prozent (was über den jetzigen Umfragen wäre), egal ob als erste oder zweite Partei. Und die FPÖ kommt auf ein Ergebnis um die 20 Prozent (was man ihr zutraut). Und mit der ÖVP geht nichts, weil dort immer noch Molterer und Schüssel das Sagen haben. Und Rot-Grün-Liberal hat keine Mehrheit. Wer würde jetzt Rot-Blau ausschließen?

Tatsächlich ist die SPÖ in einer schwierigen Ausgangsposition: Die FPÖ ist der "Gottseibeiuns" der Innenpolitik, mit der darf ungestraft nur die ÖVP.

Mit der ÖVP wäre es schön, wenn die SPÖ die Wahlen deutlich gewinnt und Molterer, Schüssel und Bartenstein in die Polit-Rente gehen. Das ist zweifellos Faymanns Wunschvorstellung: Rot-Schwarz, Faymann/Pröll.

Sonst wird es eng: Eine Mehrheit links der Mitte ist aus jetziger Sicht tatsächlich unrealistisch. Die Grünen werden zwar von SPÖ und ÖVP umworben, aber sie schwächeln. Der jetzige dritte Platz ist mit Sicherheit dahin (damit auch ein paar Ämter wie jenes der DrittenNationalratspräsidentin). Zuletzt hatten sie elf Prozent, Skeptiker meinen, die Grünen können froh sein, wenn sie das Ergebnis vom letzten Mal halten. Eine Mehrheit für Rot-Grün ist also extrem unwahrscheinlich. Daran ist auch das Liberale Forum schuld, das den Grünen sehr und der SPÖ ein bisschen weh tun könnte.

Heide Schmidt versteht sich als "Angebot an die denkenden Menschen" und ruft damit zu einer Minderheitenfestellung auf: Der Wiedereinzug des LIF in das Parlament dürfte jedenfalls sehr knapp werden.

Angenommen, das LIF schafft es über die Vier-Prozent-Hürde: Selbst wenn man die Liberalen bei SPÖ und Grünen dranrechnet und eine Dreier-Koalition andenkt, es wäre doch eine große Überraschung, wenn dies unter 183 Abgeordneten eine Mehrheit ergibt.

Über das BZÖ muss man in diesem Zusammenhang nicht lange nachdenken. Auch wenn es die Orangen wieder ins Parlament schaffen: Dass Grüne oder Liberale mit Jörg Haider marschieren, mag sich doch niemand vorstellen.

Da hat es die ÖVP leichter: Grün geht gerne, wenn es denn ginge. Groß, wenn es sein muss. Weder mit LIF noch mit BZÖ gäbe es ein Problem. Und die FPÖ sind wir von der ÖVP auch schon gewöhnt. Egal, ob sie Erste wird oder nicht. (Michael Völker/DER STANDARD, Printausgabe, 28.8.2008)