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Batu Kutelia, Vizeverteidigungsminister

Foto: Reuters

STANDARD: War die georgische Armee auf einen solchen Krieg überhaupt vorbereitet?

Kutelia: Das ist eine komplexe Frage. Wir haben unsere Armee nicht zur Abwehr einer groß angelegten Invasion geplant. Unsere Verteidigungsdoktrin, die wir mit unseren Partnern im Westen ausgearbeitet haben, ging nicht von einer solchen Bedrohung aus. Wir lagen damit definitiv falsch.

Die Armee selbst war gerüstet - aber für andere Zwecke. Zur Abwehr kleinerer Übergriffe von außen oder gegen Aufstände. Die nächste Verteidigungsdoktrin wird anders aussehen. Die 58. russische Armee ist 20-mal größer - Land- und Luftstreitkräfte inbegriffen - als jene zweieinhalb Brigaden, mit denen wir gekämpft haben. Als wir sahen, dass die Russen ein Flächenbombardement begannen ohne Rücksicht auf Zivilisten, haben wir aufgehört.

STANDARD: Warum hat die Armee nicht sofort den Roki-Tunnel blockiert, die Verbindung nach Russland?

Kutelia: Das war nicht unser Ziel. Wir wollten dort nicht einen Kampf starten. Zweitens gibt es mittlerweile eine Nebenstraße über die Berge, die die Russen letztes Jahr gebaut haben. Es hätte also nichts genutzt, den Tunnel zu verschließen. Wir wussten, dass bereits russische Militärausrüstung bereits im Java-Distrikt (nördlich von der südossetischen Hauptstadt Zchinwali, Anm.) und im Tunnel war, aber wir dachten nicht, sie wären so verrückt, dass sie die gesamte 58. Armee hierher bringen - und übrigens auch Raketen benutzen.

STANDARD: Haben Sie mehr Hilfe von der Nato erwartet?

Kutelia: Ja, natürlich. Wir hätten mehr Unterstützung erwartet. Der Nato-Oberbefehlshaber John Craddock war gerade hier. Man hat uns früher nicht geglaubt und gesagt, die Georgier übertreiben. Jetzt ist die demokratische Welt bestürzt über Russland. Die Militärdoktrin aller Nato-Staaten basiert auf der Annahme, dass es keine große Invasionen mehr gibt. Diese Einschätzung ist jetzt nicht mehr richtig. Die Nato-Staaten beginnen nun auch, ihre Strategie zu überdenken.

STANDARD: Hat dieser Krieg Georgiens Kandidatur für die Nato genutzt oder geschadet?

Kutelia: Die Chancen sind jetzt größer. Die Nato-Mitglieder haben gesehen, was die Realität hier vor Ort ist: Die Bedrohung geht von Russland aus. Mit seinen eigenen Fähigkeiten kann Georgien niemals Sicherheit für sich selbst erreichen. Wir brauchen die Allianz. Und zweitens: Die Nato muss die Sphäre der Demokratie und Stabilität ausweiten, andernfalls wird die Bedrohung zu den Nato-Staaten heranrücken.

STANDARD: Georgien hat in den vergangenen Jahren sehr viel Geld für die Modernisierung der Armee ausgegeben. Werden Sie nun etwas anders machen?

Kutelia: Ja natürlich. Wir werden einige Prioritäten verändern, wenn wir unsere neue Militärdoktrin aufstellen. Wir werden auf jeden Fall erheblich in die Flugabwehr investieren, das kann ich Ihnen mit Sicherheit sagen. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 28.8.2008)