ModeratorIn: derStandard.at begrüßt Werner Faymann im Chat. Herr Faymann, Sie hatten ja schon einen ereignisreichen Vormittag?

Werner Faymann: Ich habe in der Früh den Vizekanzler Molterer getroffen, zu Maßnahmen gegen die Teuerung und freue mich, jetzt bei Ihnen zu sein.

Haussalami: Sie haben nach dem Gespräch gemeint, sie sehen jetzt die Chance sich in drei Punkten einig zu werden. Was ist mit den anderen beiden Punkten, Mehrwertsteuer und Studiengebühren? Werden Sie die mit der Opposition beschließen?

Werner Faymann: Die Mehrwertsteuer für Lebensmittel von 10 auf 5 % zu reduzieren, ist eine Maßnahme, die sofort wirkt und der gesamten Bevölkerung beim Einkaufen zugute kommt. Die Oppositionsparteien diskutieren diesen Vorschlag sehr heftig; ich weiß noch nicht, welches Ergebnis zum Schluss für das Abstimmungsverhalten der Oppositionsparteien steht. Die Abschaffung der Studiengebühren findet die Unterstützung der Grünen, da fehlen uns noch einige Abgeordnete, aber die Sondersitzung und damit der Tag der Entscheidung wird vorraussichtlich zwischen 12. und 24. September sein. Wir nützen die Zeit, den freien Zugang zu Universitäten offensiv zu verlangen und zu erklären.

ModeratorIn: Würden sie auf die FPÖ eingehen, die Studiengebühren nur für Inländer abschaffen will?

Werner Faymann: Die Diskussion auf parlamentarischer Ebene soll den Stand´punkt der SPÖ und der Grünen deutlich machen. Ein Unterschied zu EU-Bürgern kann nicht ernst gemeint sein.

Wahl-Gulasch: Eine praktische Frage: Soll ich meine Studiengebühren für das Wintersemester bereits einzahlen, weil eh wieder kapitale SPÖ-Umfaller zu erwarten sind, oder soll ich mit der Überweisung doch noch zuwarten?

Werner Faymann: Eine Abschaffung der Studiengebühren vor der Wahl bewirkt einen Wegfall der Studiengebühren ab dem Sommersemester 2009. Sie können sich darauf verlassen, die SPÖ stimmt im Parlament für die Abschaffung. Für die anderen Parteien kann ich als SPÖ-Vorsitzender naturgemäß nicht garantieren.

GAGA3: Angenommen die Grünen bringen bei der nächsten NR-Sitzung einen Antrag bez. Homo-Ehe ein, würde die SPÖ zustimmen?

Werner Faymann: Ich möchte unser 5-Punkte Programm als Schwerpunktmaßnahme gegen die Teuerung nicht durch hunderte andere Themen überlagern. Es werden alle Diskussionspunkte vorberaten, es wird aber nicht gelingen, alle Maßnahmen der verschiedenen Wahlprogramme in diesen beiden Parlamentssitzungen ernsthaft zu beraten und Beschlüsse zu fassen.

Wolfgang Schluss: Der ÖVP ist eine Halbierung der MWst auf Lebensmittel zu unsozial. Wie stehen Sie zu den ÖVP-Forderungen bezüglich Familiensplitting, Steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten?

Werner Faymann: Die Mehrheit der Bevölkerung hat Einkommen, die eine Reduktion der MwSt auf Lebensmittel positiv spüren. 7 % verdienen über 4000 Euro/Monat - es kann aber auch bisher bei keinem MwSt-Satz diese Gruppe anders behandelt werden. Die ÖVP verlangt bei den von Ihnen verlangten Familienpunkten eigentlich Besserverdiener mit Kindern besser zu behandeln, als Familien die ein geringeres Familieneinkommen zur Verfügung haben. Z. B. keine Steuern bezahlen und daher auch nichts absetzen zu können. Wir führen daher alle Diskussionen zur Stärkung der Familie unter dem Gesichtspunkt: "Jedes Kind ist gleich viel wert."

Haussalami: Thema Mehrwertsteuersenkung: Gibt es irgendeine Chance, dass Sie sich auf die FPÖ Forderungen bzw BZÖ Forderungen einlassen, Mehrwertsteuer auf Luxuslebensmittel nicht zu senken bzw die auf medikamente auch zu senken?

Werner Faymann: Unsere Experten prüfen jeden Vorschlag. Bei tausenden Produkten im Supermarkt Lebensmittel verschieden zu behandeln, kann nur ins Auge gefasst werden, wenn das sinnhaft möglich ist. Und die Entlastung beim durchschnittl. Einkauf die durchschnittl. 200 Euro Ersparnis/ Haushalt nicht geschmälert wird. Also nur Brot, Milch und Butter zu reduzieren, wäre entschieden zu wenig und stärkt nicht die Kaufkraft der Bevölkerung. Medikamente, die mit einem Rezept des Patiénten bezogen werden unterliegen der Rezeptgebühr. Diese Rezeptgebühr wurde mit 2 % des Nettoeinkommens gedeckelt und bringt daher vielen Menschen eine Erleichterung, die es besonders dringend brauchen. Ich kann daher keinen Änderungsbedarf erkennen.

Deconstructive Force: Diese "Steuerzuckerl' hoeren sich ja ganz nett an, sind aber m.E. nur durch immense Schulden finanzierbar. Wann gedenken Sie, das Nulldefizit anzustreben?

Werner Faymann: In der Vergangenheit wurde das Nulldefizit oft propagiert und nie erreicht. Auch verlagerungen der Schulden außerhalb des Budgets (z. B. ÖBB und Asfinag) sind kein Programm. Daher verwende ich den Ausdruck konsolidiertes Budget und meine damit, dass unser 5-Punkte Programm + die Entlastung der Einkommen im Zuge der Steuerreform nach Berechnungen der Finanzexperten und des Finanzstaatssekretärs im Jahr 2010 nach heutigen Berechnungen 0,8 % Budgetdefizit auslösen. Die letzte Steuerreform unter Schwarz-Blau wurde bei 1,5 % Budgetdefizit beschlossen. Sie können erkennen, dass wir unseren Vorschlag gewissenhaft durchgerechnet haben, daher bei einer Lizitation von zusätzlichen Ausgaben nicht mitmachen werden. Einsparungen im Budget müssen genauso stattfinden wie Schwerpunktsetzungen für Bildung und Forschung.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: Der steirische VP-Chef nennt sie einen "kalt lächelnden Primitivpopulisten". Schaurt nicht so aus, als wär die Stimmung zwischen SPÖ und ÖVP gut.

Werner Faymann: Ich fürchte in den nächsten Tagen bis zur Wahl wird's noch tiefer. Auch Minister Bartenstein bemüht sich täglich, ich werde mich daran nicht beteiligen. Politik soll konsequent in der Sache, aber konstruktiv in der Vorgangsweise sein. Streitereien und Beleidigungen habe ich in meinem politischen Leben bisher nicht aussstehen können - Einsatz für Werthaltungen und Sachfragen sind für mich wichtig.

Towelday: Molterer hat Rache angekündigt, rechnen sie mit einem Misstrauensantrag gegen sie?

Werner Faymann: Meine Meinung zu ÖVP-Politikern/Innen insbesondere Landeshauptleuten und Sozialpartnern ist grundsätzlich positiv, daher halte ich Revancheakte mit persönlichen Verunglimpfungen und gegenseitigen Abwahlanträgen nicht für möglich.

Stammkunde: Sehr geehrter Herr Minister! Für den Fall das die SPÖ die stimmenstärkste Partei werden sollte und den Auftrag zu einer Regierungsbildung erhält. Wären ihnen "die Grünen" grundsätzlich als Koalitionspartner lieber als die ÖVP?

Werner Faymann: Ich habe ausgeschlossen einen Tag Koalition mit der Strache-FPÖ oder dem Haider-BZÖ erleben zu wollen, weitere Einschränkungen möchte ich nicht treffen. Als nächstes hat der Wähler das Wort. Danach werde ich mich aus ganzer Kraft bemühen, wenn ich vom Wähler dazu einen Auftrag bekommen, eine stabile Regierung zu bilden, die arbeitet und nicht streitet.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: Herr Faymann, man merkt ihnen an wie weh es Ihnen tut, dass man ihnen die ablehnung einer rot-blauen koalition nicht glaubt. (etwa im tv-duell gegen van der bellen). Woran, denken Sie, liegt es dass man ihnen das nicht glau

Werner Faymann: Obwohl ich 13 Jahre einer Landesregierung angehört habe und nunmehr 20 Monate der Bundesregierung, nie etwas versprochen habe, von dem ihc nicht überzeugt war, es halten zu können, ist es auch für mich schwierig, im Wahlkampf Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu erreichen. Sie haben Recht, dass es mir weh tut, wenn mir jemand nicht glaubt - ich bemühe mich daher, auch jetzt nur Maßnahmen zu garantieren, die ich auch halten kann, um Menschen auch nach einigen Jahren Regierung genauso in die Augen schauen zu können, wie heute.

Bonair: Ist es nicht ein wenig seltsam, einerseits die FPÖ als künftigen Regierungspartner kategorisch auszuschließen und andererseits noch kurz vorher, die eigenen Vorhaben mit ihrer Hilfe durchzudrücken?

Werner Faymann: Im Parlament, auch in den Landtagen, gab es auch bisher gemeinesame Beschlüsse mit Oppositionsparteien. Es darf nie soweit kommen, dass es ein Rede- oder Diskussionsverbot mit irgendeiner anderen Partei gibt. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu Gesprächen, gemeinsam eine Regierung zu bilden. Schüssel und Molterer haben schon Schwarz-Blau regiert und ihre Aussagen bleiben immer so allgemein, dass ich überzeugt bin, sie haben den Plan nie aufgegeben. Davon möchte ich mich unterscheiden.

links kritik: Sie haben im Juni für die Ratifizierung des EU Vertrages im Parlament gestimmt. Sie haben vor dem Sommer ein Stilhalteabkommen mit der ÖVP unterzeichnet. Sie haben mit der ÖVP beschlossen die Pensionsautomatik einzuführen. Vor der Wahl haben Sie all

Werner Faymann: Ich habe nie ein sogenanntes Stillhalteabkommen unterzeichnet, sondern habe im Juni und Juli auch in der eigenen Partei die Meinung vertreten, wir sollen einander nicht überstimmen, wie das am Anfang einer Regierungsbildung vereinbart wird. Ich wollte und werde auch in Zukunft nie eine Chance auslassen, den Regierungspartner, der immer meine 1. Adresse ist, von Maßnahmen zu überzeugen. Es ist auch das Pflegegeld und eine Erhöhunge der Familienbeihilfe gelungen, zu vereinbaren. Ich möchte aber für mein 5-Punkte Programm zur Entlastung der Bevölkerung nicht gegen meine Überzeugung auftreten und die SPÖ-Abgeordneten werden in diesen beiden Parlamentssitzungen für ihre Haltung stimmen. Ich glaube, keine Chance ausgelassen zu haben, den Regierungspartner in den 3 Monaten seit ich zum geschäftsführenden Vorsitzenden designiert wurde, von der Notwendigkeit dieses 5-Punkte Programms zu überzeugen. Daher ist eine Vorgangsweise für diese eigene Haltung auch einzustehen, notwendig und richtig. Der Wähler/die Wählerin hat unmittelbar danach die Möglichkeit, am Wahltag seine/ihre Entscheidungen über die Zukunft Österreichs zu treffen.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: Politologen sagen voraus, dass Ihre 5 Forderungen es sehr unwahrscheinlich machen, dass es nach der Wahl nochmal eine Große Koalition gibt - bzw es der ÖVP damit verleiden). Ist das a) ihre Absicht, b) Ihnen egal oder c) ni

Werner Faymann: Das ist nicht meine Absicht. Ich kenne viele Verantwortliche in der ÖVP, die sich sogar für eine Steuersenkung bereits ab Jänner 2009 ausgesprochen haben. Ich setze darauf, dass nach der Wahl die konstruktiven Kräfte in unserem Land die Mehrheit bekommen. Auch wenn ich täglich darauf hingewiesen werde, dass ich mir in der ÖVP niemanden aussuchen kann, was ja selbstverständlich ist.

petersson: Wie schätzen Sie die Ankündigung eines eigenen Antrags der ÖVP zur Verlängerung der Hacklerregelung und die Chancen einer Beschlussfassung ein? Warum sollte sich gerade jetzt die ÖVP einer mit der Pensionsautomatik verknüpften angekündigten Zustimm

Werner Faymann: Junktimierungen, also die Verknüpfung von poltischen Inhalten, die im engeren Sinn nicht zusammengehören, gefällt mir grundsätzlich nicht. Jeder dieser Vorschläge steht einzeln zur Abstimmung. Auch "Verbesserungsvorschläge" sind in jeder parlamentarischen Diskussion möglich und üblich. Die Verlängerung der Hacklerregelung um 3 Jahre gehört zum 5-Punkte Programm der SPÖ-Initiative. Die Betroffenen können sich auf uns verlassen.

LightCurves: Können sie das Wort "Unterwerfungsgeste" noch hören?

Werner Faymann: Nein, danke für Ihr Verständnis!

C3lo: Was sagen Sie dazu, dass die Kronen-Zeitung bereits einige Stunden vor Beginn des TV-Duell darüber berichtet hat, wie brilliant Sie sich dort geschlagen haben?

Werner Faymann: Es haben mehrere Zeitungen in der Abendausgabe versucht, den wahrscheinlichen Verlauf der Diskussion zu beschreiben. Die Vorhersage, dass es eine überwiegend konstruktive und sachliche Diskussion werden wird, ist ja auch eingetroffen.

Sebastian86: Sind Sie durch die Freundschaft zu Dichand in einem Interessenskonflikt? Werden Sie ihre nächste Kursänderung in einer anderen Zeitung ankündigen?

Werner Faymann: Ich habe mehrfach versprochen, meine Informationspolitik breiter anzulegen, wollte aber mit der Vorgehensweise eines Leserbriefs niemanden kränken oder beleidigen. Die Absicht war, selbst formulieren zu können, wie wir eine so wichtige Frage einschätzen.

-Nathan-: Wie soll die EU weiterhin funktionieren,wenn auch andere Länder nationale Volksabstimmungen zu neuen EU-Verträgen und Beitritten abhalten ?! Ich halte das für antieuropäischen Populismus.

Werner Faymann: Die Bevölkerung einzubeziehen, und abstimmen zu lassen, halte ich grundsätzlich in wesentlichen Fragen für richtig. Ich verstehe nicht, welche Definition von "europäisch" gemeint ist, wenn jemand verlangt, Volksabstimmungen auszuschließen. Wir brauchen eine europäische Union, die sozial, ökologisch und bürgernah arbeitet. Die SPÖ hat beim Beitritt zur EU sich sehr engagiert und verlangt daher zu Recht, auch Verbesserungen auf europäischer Ebene im Interesse des Bürgers.

ModeratorIn: Eine Userfrage per Email: Könnten Sie sich vorstellen, unter einem Kanzler Molterer (oder Schüssel) als Vize zu „dienen“, so das ahlergebnis das erfordern würde?

Werner Faymann: Ich werde jeden Tag bis zur Wahl nützen, um mein Wahlziel, 1. zu werden, zu erreichen. Ich bitte Sie daher um Verständnis, dass ich mir das nicht vorstellen will.

yomo: In meinem Umfeld hat man ein wenig den Eindruck, Sie seien eine ältere Ausgabe von KHG (Krone-Präsenz, sehr häufiges Lächeln, Karriere über Seilschaften). Was würden Sie auf derlei Vergleiche antworten?

Werner Faymann: Ich lache gerne, meine politische Laufbahn, die bereits mehr als 12 Jahre in der Landesregierung und jetzt 20 Monate in der Bundesregierung dauert, habe ich immer genutzt um zu beweisen, dass ich mich für wirtschafliche und soziale Anliegen engagiere. In meiner Zeit als Wohnbaustadtrat wurden mehr als 80.000 Wohnungen errichtet und mehr als 120.000 Wohnungen saniert. In den letzten Monaten ist es mir gelungen, die Finanzierung und die Bedeutung der Bahn, den Ausbau der Schiene, Investitionen in die Südstrecke (Semmering- und Koralmtunnel) massiv voranzutreiben. Vergleichen Sie selbst und ersparen Sie mir bitte den Vergleich.

Der Weg zur Knechtschaft: Kennen Sie den Liedtext der Internationalen?

Werner Faymann: Ich kenne viele Liedtexte, sowohl das Lied der Arbeit, als auch die Internationale. Ich singe gerne laut, aber nicht besonders gut.

Manfred Bieder: Falls die SPÖ nur Zweiter wird, treten Sie zurück?

Werner Faymann: Ich habe am 8. August 2008 das Vertrauen von 98 % der Delegierten als Parteivorsitzender erhalten. Ich bin zuversichtlich, dass ich eine gute Chance habe, Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Ich werde keinen Tag vergehen lassen, um meine Vorstellungen für die Zukunft Österreichs zu sagen, um mein Ziel bei der Wahl 1. zu werden, zu erreichen. Mit allen weiteren Fragen, beschäftige ich mich nicht, hätte dazu im Moment auch gar keine Zeit.

ModeratorIn: Leider sind wir schon am Ende der Chatzeit angekommen und bitten um Verständnis, dass nicht alle Fragen beantwortet werden konnten. Danke an Werner Faymann fürs Kommen und an die UserInnen fürs Mitchatten!

Werner Faymann: Ich bedanke mich für Ihre Fragen und verspreche Ihnen, dass ich bei Antworten mein Bestes gebe, aufrichtig zu sein. Schönen Tag und alles Liebe.