Der Überraschungseffekt hat nur einen Tag gehalten. Am Dienstag war bereits lauter Katzenjammer über den von Werner Faymann angekündigten Plan zum Teuerungsausgleich zu vernehmen. So sehr die SPÖ mit dem Bruch des Stillhalteabkommens die ÖVP überrumpelt haben mag, so offenkundig hat sich die Partei mit den Inhalten des Vorstoßes übertölpelt.

Nun mag es kaum verwundern, dass Entlastungsmaßnahmen in Wahlkampfzeiten Hochkonjunktur haben. Und wenn dann auch noch die Inflation verrückt spielt, liegen Ausgleichsmanöver auf der Hand. Doch die handwerkliche Unausgegorenheit der Initiative und ihre Verfehlung ökonomischer wie sozialpolitischer Ziele ist schon beachtlich.

Da wäre einmal die Senkung der Mehrwertsteuer für Nahrungsmittel, die immerhin 750 Millionen Euro verschlänge. Das Geld würde vor allem dem Handel zukommen, der erfahrungsgemäß bei Steuersenkungen ziemlich viel Hausverstand aufbringt und auf Preissenkungen dankend verzichtet.

Doch selbst wenn sich die Betriebe überraschenderweise als artig erweisen sollten, wird die Maßnahme ohne Effekt verpuffen, ähnlich wie das bei den Steuerschecks in den USA der Fall war. Die wurden nämlich großteils aufs Sparbuch überwiesen, in den Konsum floss laut Expertenschätzung nur ein Viertel.

Eine Hilfe stellte die Preisreduktion allemal dar, selbst wenn nicht mehr gekauft würde, könnte man argumentieren. Richtig - fragt sich nur, um welchen Preis. Bekanntermaßen wenden Besserverdiener für Nahrungsmittelkäufe mehr Geld auf (wenngleich im Verhältnis zum Einkommen weniger) als Bezieher niedriger Verdienste. Die Mehrwertsteuersenkung begünstigt somit tendenziell reichere Schichten. In den unteren Einkommensgruppen machte die Einsparung gerade einmal zehn Euro im Monat aus, schätzt das Wirtschaftsforschungsinstitut. Dafür sind die Gesamtkosten mit der erwähnten Dreiviertelmilliarde ziemlich hoch.

Wilhelm Molterer sollte sich mit seiner Kritik - er hat kein Verständnis für die Verbilligung von Kaviar und Gänseleber - dennoch zurückhalten, ist doch auch er den Versuchungen des Populismus erlegen. Mit der vorgeschlagenen Auszahlung einer 13. Familienbeihilfe will der ÖVP-Chef ebenso das Füllhorn quer über alle Familien mit Kindern über sechs Jahren ausschütten. Vom kleinen Mann bis zum Generaldirektor. Bei der sozialen Treffsicherheit in der Sozialpolitik haben somit die Spitzenkandidaten beider Parteien ein ziemliches Problem.

Doch Faymann hat mit der Begrenzung des halben Mehrwertsteuersatzes auf den Handel die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Was ist mit den tausenden Fleischern oder Bäckern, die neben rohen Nahrungsmitteln auch fertige Speisen oder Snacks verkaufen? Die Vermutung liegt nahe, dass die nicht administrierbare Unterscheidung eine Gleichbehandlung von Gastronomie und Handel erforderlich macht und damit die Kosten der Entlastungsmaßnahme explodieren.

Wird nach dem Inflationsausgleich noch eine Steuerentlastung nachgeschossen, droht der Staatshaushalt in ungeahnte Rotzonen zu driften. Muss die Abgabenreform wegen mangelnder Finanzierbarkeit abgeblasen werden, würde sich der vermeintliche Coup als Schuss ins Knie erweisen.

Doch das scheint den Verkehrsminister nicht zu kümmern. Angesichts des Schuldenturms, den er der Bahn und der Straßengesellschaft Asfinag aufbrummt, ist das jetzt vorgelegte 1,3 Milliarden Euro schwere Sozialpaket auch schon egal. Und wenn die Rechnung präsentiert wird, ist Faymann längst nicht mehr im Amt.  (Andreas Schnauder/DER STANDARD, Printausgabe, 27.8.2008)