Mit der Ankündigung eines 1,3 Milliarden Euro teuren Maßnahmenpakets hat SPÖ-Chef Werner Faymann den rasanten Anstieg der Verbraucherpreise ins Zentrum des Wahlkampfes gestellt. Das ist verständlich, denn die Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln und Energie treffen die unteren und mittleren Einkommensschichten besonders stark. Bevölkerungsgruppen, die in den letzten Jahren kaum, wenn überhaupt, vom Wirtschaftswachstum profitierten, müssen nun Reallohnverluste hinnehmen.

Leider ist im Wahlkampf die Versuchung für Politiker besonders groß, einfache Lösungen zu propagieren. Das Faymann-Paket ist da keine Ausnahme: Es bringt kurzfristige Entlastungen, löst aber das strukturelle Problem nicht. Damit ist Faymann in guter Gesellschaft, denn dies gilt auch für viele andere im Wahlkampf propagierte Maßnahmen, etwa zur Senkung der Spritpreise. Auch die Erhöhung von Kilometergeld und Pendlerpauschale, welche die Bundesregierung vor ihrem Kollaps gerade noch auf den Weg gebracht hat, gehen in diese Richtung.

Vom Überangebot zur Knappheit

Derartige Maßnahmen mögen populär sein - mittel- und langfristig sinnvoll sind sie nicht. Denn die derzeitigen Preissteigerungen sind Vorboten einer neuen weltwirtschaftlichen Situation, die durch Knappheit wichtiger natürlicher Ressourcen gekennzeichnet ist. Auslöser der gegenwärtigen Preissteigerungen sind Rekordpreise für Öl - und damit Energie generell - und Agrarprodukte.

Sowohl bei Öl als auch bei Nahrungsrohstoffen kippten die Märkte innerhalb kurzer Zeit vom Überangebot zur Knappheit. Die rasant steigende Nachfrage von Schwellenländern wie China und Indien spielte dabei eine Schlüsselrolle. Noch dazu ist die Landwirtschaft selbst massiv energieabhängig, sowohl direkt (Traktoren usw.) als auch indirekt, durch energieintensive Vorprodukte wie Düngemittel.

Mittel- und langfristig kann die Lösung nur darin bestehen, die Abhängigkeit von den knapper werdenden Rohstoffen zu vermindern. Maßnahmen zur direkten Verringerung der Konsumentenpreise für Nahrung und Energie verstärken das Problem, statt es zu lösen: Sie vermindern den Anreiz, mit ressourcenintensiven Produkten sparsamer umzugehen.

Forcierung von Agrosprit verstärkt die Krise

Seit 1973 schwankte der Ölpreis in mehreren Wellen. Stieg er, versuchten die Industrieländer hektisch, ihre Abhängigkeit vom Öl zu verringern - doch die Anstrengungen verebbten genauso rasch in den jeweils folgenden Phasen niedriger Preise. Ein Übergang zu sparsameren Technologien (Stichwort: Nullenergiehaus), Infrastrukturen (Stichwort: Öffentlicher Verkehr), Siedlungsstrukturen (Stichwort: Zersiedlungsstopp) unterblieb ebenso wie die entschlossene Entwicklung erneuerbarer Energien. Statt auf diese Weise das Übel an der Wurzel zu packen, verschärfte die Politik das Problem in den letzten Jahren durch die ökonomisch wie ökologisch völlig verfehlte Forcierung von Agrosprit - und trug damit zur gegenwärtigen Hausse der Agrarpreise massiv bei.

Ökonomen weisen darauf hin, dass schwankende Ölpreise im Interesse der OPEC liegen, da sie einerseits die Entwicklung von Alternativen zum Erdöl unterbinden und ihr anderseits in Hochpreisphasen satte Profite bescheren. Ob die Ölpreisentwicklung tatsächlich von der OPEC derart gesteuert wird, sei dahingestellt. Dass aber das Fehlen wirksamer energiepolitischer Maßnahmen in den Niedrigpreisphasen die Ölabhängigkeit der Industrieländer stabilisiert hat, ist unbestreitbar. Die Fehler liegen also in der Vergangenheit: In Zeiten niedriger Rohstoffpreise hätten die Industrieländer durch sozial-ökologische Steuerreformen die Energiepreise hoch halten und damit den Ressourcenverbrauch dämpfen müssen - dann wären sie heute nicht so verwundbar.

Sozialökonomische Steuerreform gefragt

Was kann heute getan werden, um das Inflationsproblem an der Wurzel zu packen? Zunächst einmal ist es nötig, der populistischen Versuchung zu widerstehen und auf kontraproduktive Maßnahmen zu verzichten. Technologie- und infrastrukturpolitische Maßnahmen zur Verringerung der Ressourcenabhängigkeit wären gerade jetzt umsetzbar, im Idealfall klug kombiniert mit sozialpolitischen Maßnahmen (z.B. Energie-Investitionsprogramme für ärmere Schichten). Im Agrarbereich sollte die integrierte Optimierung von Nahrungs- und Energieproduktion forciert werden: Nutzung von landwirtschaftlichen Reststoffen wie Stroh oder Nutztierfäkalien zur Energieproduktion statt Verfeuerung wertvoller Nahrungsrohstoffe wie Getreide oder Mais als Agrosprit, um die Lebensmittelpreise mittelfristig zu stabilisieren.

Eine Erhöhung von Ressourcensteuern wäre zwar wirksam, in der gegenwärtigen Situation aber politischer Selbstmord. Bereits jetzt könnten aber sozialökologische Steuerreformen geplant und glaubwürdig angekündigt und bei einem Ölpreisverfall sofort implementiert werden. Nur so könnte verhindert werden, dass Energieeffizienz und erneuerbare Energie gleich wieder abgewürgt werden, wenn die Ölpreise wieder fallen, was vielleicht schon begonnen hat. Ohne Planungssicherheit wird der Übergang zu einem nachhaltigeren Energiesystem - der Jahrzehnte braucht! - wieder scheitern. Wie schon so oft. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.8.2008)