Das Esplanada-Projekt: Kritiker fürchten ein Verkehrschaos in der Stadt.

Fotos: Trigranit
Fotos: Trigranit

In Bukarest steht das größte Bauprojekt Südosteuropas an: Ein Hochhausviertel im Herzen der Stadt. Viele Bürger lehnen das Projekt ab. Der Bürgermeister will daher lieber einen Park errichten und Rehe ansiedeln.

Es gibt kaum einen Bewohner der rumänischen Hauptstadt, der Bukarest als angenehmen Ort zum Leben preisen würde. Staub aus der südrumänischen Steppe, immer kleiner werdende Grünanlagen und dazu ein unerträglich aggressiver Verkehr in chronisch verstopften Straßen – kurz, die Balkanmetropole stresst das Nervenkostüm.

Und demnächst soll – wenn es nach dem Willen der Regierung geht – eine gigantische neue Baustelle hinzukommen, für das wohl größte Immobilienprojekt Südosteuropas: das Esplanada City Center, mit Wolkenkratzer-Bürotürmen und einer Mehrzweckhalle, erbaut von der multinationalen Firma Trigranit.

Die Firma wird von Budapest aus von Sandor Demjan, dem reichsten Unternehmer Ungarns, betrieben. Trigranit hat in Budapest bereits so gut wie alle neuen repräsentativen Gebäude der vergangenen Jahre errichtet: das Nationaltheater und den Palast der Künste am Donauufer, zahlreiche Einkaufszentren. Darüber hinaus hat Trigranit Mammut-Einkaufszentren und Bürotürme in Slowenien, Polen, der Slowakei und Kroatien errichtet.

In Bukarest will Trigranit ein neues Stadtzentrum schaffen, in Sichtweite von Ceauºescus Mammutpalast, dessen umstrittener Monumentalität die neuen Wolkenkratzer Konkurrenz machen würden. Doch damit der Superlative nicht genug: Architekt des Esplanada-Ensembles ist der für seine Wolkenkratzer berühmte deutsch-amerikanische Architekt Helmut Jahn, der unter anderem den neuen Berliner Potsdamer Platz mitgeprägt hat.

Bauplatz ist ein 10,7 Hektar großes unbebautes Areal am Südrand des historischen Stadtkerns, das durch den heftig kritisierten Abriss eines Stadtviertels entstanden ist, den Diktator Nicolae Ceauºescu in den 1980er-Jahren vornehmen ließ. Der Diktator konnte seine dort geplanten Bauprojekte bis zu seinem Sturz 1989 nicht ganz verwirklichen.

Stattdessen soll jetzt der Immobiliengigant zum Zuge kommen. Mit einer Investition von mindestens einer Milliarde Euro sollen dort Büros, Wohnungen, Geschäfte und Vergnügungseinrichtungen auf einer Fläche von 800.000 Quadratmeter entstehen. Trigranit hat mit der rumänischen Regierung ein Partnerschaftsmemorandum geschlossen. Es sieht vor, dass Trigranit das Grundstück bebaut und vermarktet. Der Staat solle dafür die Mehrzweckhalle geschenkt bekommen. Der Haken dabei ist, dass die Stadtverwaltung das Bauprojekt genehmigen muss.

Angst vor Verkehrsinfarkt

Tatsächlich spricht vieles gegen das Esplanada-Projekt, vor allem die neue Verkehrsbelastung. Kein Mensch weiß, auf welchen Straßen die voraussichtlich tausenden Mitarbeiter der neuen Büros zu ihrer Arbeit kommen sollen. Schon jetzt braucht man im Normalfall mehr als eine Stunde, um per Auto vom Stadtrand ins Zentrum zu kommen.

Grundsätzlich sind die Bukarester allergisch gegen neue Bauprojekte, weil die Neubauten der vergangenen Jahre rücksichtslos gewachsen sind. Große Empörung löste etwa der Büroturm aus, den eine Firma wenige Meter neben die römisch-katholische Sankt-Josephs-Kathedrale setzen wollte. "Cathedral Plaza", hätte das Gebäude ironischerweise heißen sollen. Die Gläubigen hielten Mahnwachen gegen das Projekt. Jetzt stehen die Arbeiten nach einem Gerichtsurteil still. Nicht neue Gebäude braucht die Stadt, sondern Luft zum Atmen – da sind sich die meisten Bukarester einig.

Angesichts dieser Stimmung war es logisch, dass sich der in diesem Juni gewählte Bürgermeister Sorin Oprescu im Wahlkampf gegen das Esplanada-Projekt ausgesprochen hat. Nach seiner Wahl wollte er aber weder für noch gegen Esplanada Stellung nehmen. Oprescu hatte versprochen, auf dem Esplanada-Gelände einen Park anlegen zu lassen und darin Rehe anzusiedeln. Weil die scheuen Tiere vor dem Bukarester Lärm sicherlich die Flucht ergreifen würden, dürfte er zumindest dieses Versprechen sicher brechen. (Kathrin Lauer aus Bukarest/DER STANDARD, Printausgabe, 26.8.2008)