An der Fakultät für Umwelt-, Regional- und Bildungs- wissenschaften (Urbi) der Uni Graz soll "das Interesse der Studierenden für gesellschaftliche Probleme" geweckt werden, so Dekan Werner Lenz.

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Das Studium sei eine Berufsvorbildung und diene dazu einen Blick hinter den Vorhang der Arbeitswelt zu werfen, erklärt Dekan Werner Lenz. Die Arbeit mit Studierenden sei "eine Ehre", sagt er im Gespräch mit Bernhard Madlener.

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Standard: Sie definieren "Bildung als Selbstbildung": Die Uni schafft den Rahmen, in dem sich Studierende selbst bilden. Wie frei sind die Curricula Ihrer Fakultät gestaltet?

Lenz: Das sind ganz normale Studienpläne. Es geht mehr darum, dass wir heute immer genauer wissen, welche Inhalte wir vorgeben sollten, um die Studierenden für künftige Berufe zu qualifizieren. Innerhalb dieser Vorgaben ist es aber sinnvoll, dass sie sich auch über richtige Verhaltensweisen, Kritikfähigkeit und Selbstbestimmung Gedanken machen - diese Reflexion ist einzufordern. Im Sinne des lebenslangen Lernens gewinnt informelles Lernen an Bedeutung. Es umfasst Fähigkeiten, die etwa mit einer Berufstätigkeit zusammenhängen und schwer in Worte zu fassen oder zu vermitteln sind.

Standard: In den letzten Jahren haben die Unis es eher nicht verstanden, geeignete Lehr- und Lernbedingungen zu schaffen. Was macht die Uni Graz, was machen Sie besser?

Lenz: Ob es unsere Studierenden wirklich besser haben, weiß ich nicht. Die mittlerweile über 4000 Studierenden an meiner Fakultät - allein an der Pädagogik sind 1600 inskribiert - versuche ich durch eine finanzielle Umverteilung zu fördern. Ich möchte über eine entsprechende Motivation der Lehrenden auch didaktische Modelle wie E-Learning verankern, um niemanden abweisen zu müssen. Außerdem versuche ich zu vermitteln, dass es unsere Aufgabe - und eine Ehre - ist, das Interesse der Studierenden an gesellschaftlich aktuellen Problemen zu wecken.

Standard: Wie genau sieht das mit der finanziellen Förderung aus?

Lenz: Nun, ich unterstütze Personen, die in ihrer Dissertation interdisziplinär arbeiten. Das geschieht - im Einvernehmen mit dem Rektorat - teilweise über Stipendien, teils aber auch mittels einer kleinen Anstellung an der Fakultät.

Standard: Und das Geld - sind dabei Drittmittel im Spiel?

Lenz: Nein, ich bestreite das aus dem Fakultätsbudget.

Standard: Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist Ihnen ein besonderes Anliegen - innerhalb der vier Studienrichtungen an der Fakultät, aber auch darüber hinaus...

Lenz: Es ist sinnvoll, dass etwa in den Bewegungswissenschaften die Verbindung zu Physik und Medizin bewusst wird. Am besten kommt die Interdisziplinarität in der Umweltsystemwissenschaft raus, die sich aus betriebs- und volkswirtschaftlichen, geografischen und physikalischen Aspekten zusammensetzt.

Standard: Nun soll ein Studium ja nicht bloß Berufsorientierung sein, sondern auch zum Nachdenken anregen, wie Sie in einem Informationsvideo auf der Fakultäts-Homepage erklären. Der gesellschaftliche Druck der jüngsten Vergangenheit ließ die Leute eher rucki-zucki studieren, um rasch einen Job zu kriegen ...

Lenz: Seit Einführung der Studiengebühren wird durchaus gezielter studiert, das stimmt schon. Ich habe aber den Eindruck, dass unsere Studiengänge, die sich ja mit aktuellen gesellschaftlichen Problemen befassen, generell sehr engagierte Studierende anlocken. Mittlerweile ist es auch so, dass zwei Drittel bereits während des Studiums in irgendeiner Form berufstätig sind. Das ist kein Nachteil, so lernen sie andere gesellschaftliche Bereiche kennen. Den "Ernst des Lebens", wenn man so will. Aber dann gibt es eben auch Grenzen: Wenn es etwa um eine Dissertation oder eine Masterabschlussarbeit geht, dann wird die damit verbundene Leistung zum Fulltime-Job. Und da helfen wir, dass sich das ausgeht.

Standard: Wer an die Uni geht, soll sich also auch Zeit lassen können, wenn es nötig ist?

Lenz: Die Uni liefert eine Berufsvorbildung. Man setzt sich damit auseinander, was in einem Berufsfeld vorgeht, schaut hinter den Vorhang. Was man tatsächlich machen will, bleibt derweil noch offen. (DER STANDARD Printausgabe, 23.8.2008)