Tiflis/Wien - Über sein unvorhergesehenes Treffen mit dem russischen General kann sich Alexander Stubb immer noch nicht beruhigen. "Wer sind Sie?", blaffte ihn Wjatscheslaw Borrisow an, der Kommandeur der mittlerweile von den Russen geräumten Stadt Gori, als der jung wirkende finnische Außenminister vergangene Woche erstmals die georgische Stadt besuchte. "Stub? Wie buchstabieren Sie das?", kanzelte ihn der russische General ab, der - mitten auf dem Hauptplatz Goris mit der Stalin-Statue stehend - nicht die geringste Neigung erkennen ließ, jenen Truppenabzug in die Wege zu leiten, der am selben Tag doch wieder in Moskau versprochen worden war.

Stubb führt dieses Jahr den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), einem Hauptakteur beim nun beginnenden Management des Kaukasus-Konflikts, und hat in Gori einen Vorgeschmack darauf bekommen, was den Westen in den kommenden Wochen und Monaten erwarten könnte. Der Finne ist zuversichtlich: Russland werde sich für das Engagement mit der internationalen Gemeinschaft entscheiden. Doch Stubb hat wenig Konkretes in der Hand, das seinen Optimismus begründen könnte: Der russische Präsident Dmitri Medwedew sei ein "Internationalist" und Sergej Lawrow, der Außenminister, ein außerordentlich professioneller Diplomat. Von Putin, dem Regierungschef, spricht er nicht.

Zwei Wochen nach dem Kriegsausbruch in Südossetien versucht der OSZE-Vorsitzende die Organisation zurück ins Spiel zu bringen. Heute, Montag, soll die Zahl der Militärbeobachter der OSZE auf 20 angewachsen, zusätzliche sieben gepanzerte Fahrzeuge für Südossetien sollten eingetroffen sein. Doch das vorläufige Mandat der Beobachter, die über die Einhaltung der Waffenruhe wachen sollen, ist vage und die Umsetzung völlig abhängig vom Willen der Russen. Über ein Telefongespräch zwischen Medwedew und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy am Samstag gibt es unterschiedliche Versionen: Sarkozy will Medwedews Zusicherung erhalten haben, dass die russischen Soldaten entlang der Straße von Gori zum Schwarzmeerhafen Poti durch Beobachter der OSZE ersetzt werden; der Kreml gab an, dass darüber gar nicht gesprochen worden war.

Die von der russischen Armee und ossetischen Milizen kontrollierte Separatistenprovinz konnten die OSZE-Beobachter bisher nicht betreten. Seit dem 9. August, als der britische Kommandeur in Zchinwali möglicherweise von georgischen Scharfschützen unter Feuer genommen worden war, hatten die OSZE-Militärs keinen Fuß mehr in die Provinz gesetzt. Die ethnischen "Säuberungen" in den georgisch bewohnten Dörfern Südossetiens gingen so ohne Zeugen vonstatten.

Dass Georgier vertrieben wurden, dafür hat Alexander Stubb selbst Indizien. Als er vergangenen Donnerstag Gori besuchte, sah er hinter einer Hausecke zwei Lastwagen des russischen Ministeriums für Katastrophenschutz stehen. Russische Soldaten luden an die 20 ältere Männer und Frauen aus einem Dorf in Südossetien auf der Straße ab. Stubb beschrieb die Menschen als aufgelöst, nahe der Panik; ihre Habseligkeiten hatten sie nur in ein Bettuch gewickelt. "Ich weiß nicht, was es war. Ich weiß nur, dass ich absolut nicht mochte, was ich da gesehen habe."

Am Sitz der OSZE in Wien soll in den nächsten Tagen mit der russischen Regierung ein Mandat für die am Ende 100 Militärbeobachter in Südossetien ausgehandelt werden. Der OSZE-Vorsitzende, der einen neuen internationalen Mechanismus für die Regelung des Südossetien-Konflikts finden will - das alte Friedensabkommen von 1992 und das Rahmenwerk zu den russisch-georgisch-ossetischen Friedenstruppen sind nach dem Sieg der Russen nur noch theoretisch in Kraft -, strebt deshalb eine Art diplomatischen Befreiungsschlag an: Ein internationaler Beauftragter soll von der UNO und der OSZE ernannt werden und wie im Kosovo weitgehende Befugnisse haben, was die humanitäre Hilfe, die Rückkehr der Bewohner, den Wiederaufbau und schließlich die Verhandlungen über den politischen Status anbelangt. Stubb denkt an eine allgemein anerkannte Persönlichkeit. Sie soll die internationalen Bemühungen um eine Konfliktlösung in Südossetien und Abchasien verwalten, möglicherweise auch in den beiden anderen Separatistenkonflikten - Transnistrien und Berg-Karabach.

Dass die Separatistenregime Gefallen an dieser Idee finden, ist schwer vorstellbar. Dass Moskau dem Plan zustimmen könnte, will zumindest der OSZE-Vorsitzende glauben. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 25.8.2008)