War früher eigentlich irgendetwas besser, und was hätte das dann zu bedeuten? 

Foto: Filmladen

Wien - Der Sänger einer Hardcore-Band schreit sich auf offener Bühne die Seele aus dem Leib. Seine Bandkollegen agieren hinter ihm emphatisch. Bis auf einen:Der Gittarist, gut fünfzehn Jahre älter als die jungen Männer, spielt stoisch seinen Part. Als der Sänger beim Sprung in die Menge statt in die Arme der Fans auf den Boden der Halle klatscht, da reicht es schon fast. Als Stefano (Valerio Mastandrea) dann zu Hause bei seiner Freundin auch noch einen Mann entdeckt, der dort nicht wohnt, nimmt er bei nächster Gelegenheit endgültig die Autobahn von Rom nach Rimini.

Dort lebt seine Familie, die eine kleine Konservenfabrik betreibt. In der großbürgerlichen elterlichen Villa hat sich nach einer Ehekrise bereits Stefanos Bruder Alberto eingenistet. Michela, das dritte erwachsene Kind, hat das Studium abgebrochen, Papa einen Pensionsschock und Mama einen Guru zur Bekämpfung der Sinnkrise. Nicht dran denken/Non pensarci, der Titel des fünften Spielfilms von Gianni Zanasi, entpuppt sich folglich schnell als das heimliche Motto der gesamten Familie.

Zanasi, der mit all seinen bisherigen Arbeiten auf großen Festivals vertreten war, den man hierzulande allerdings kaum kennt, erzählt die Geschichte um diese etwas verlorenen Seelen in der (Post-)Midlife-Crisis als äußerst sympathische, lakonische Komödie.

Nur kurz bedauert man, dass die anfängliche Konzentration auf den Protagonisten (und ein urbanes Milieu) auf eine im Kino nicht ganz so ungewöhnliche Familienkonstellation ausgeweitet wird. Dass der Regisseur und Autor nicht nur unterspielt, sondern manchmal auch mit Genuss übertreibt, gibt dem Ganzen nämlich eine schöne Dynamik. Dass er die Handlung stellenweise ein bisschen mit klischeehaften Elementen überfrachtet, mag man ihm aufgrund der generellen Unangestrengtheit und etlicher schöner Pointen wegen gerne nachsehen.

Dass er um seine Akteure immer auch das räumliche Umfeld - Rimini außerhalb der Saison, ein Delphinarium, die Fabrik oder der feudale Landsitz der Familie - präsent hält, gibt den gut erfundenen Figuren dann wieder Bodenhaftung.

Der heimgekehrte Sohn erkennt jedenfalls rasch, dass er hier bei weitem nicht die größten Probleme hat. Valerio Mastandrea spielt Stefano konzentriert und gekonnt als einen, der anfangs nur noch körperlich in seinem eigenen Leben anwesend ist. Und der sich gewissermaßen von außen halb ungläubig, halb angefressen selbst dabei zusieht. Auch der Rest des Ensembles - Giuseppe Battiston, Anita Caprioli, Teco Celio und Gisella Burinato - hält mit. Eine angenehme Überraschung, ein freundlicher Film. (Isabella Reicher, DER STANDARD/Printausgabe, 23./24.08.2008)