Wie glücklich sie gewesen sein könnten, zeigen Romeo und Julia einem Paar, das sich an seine Liebe nur mehr dunkel erinnert.

Foto: Bardel

Wien - Romeo und Julia haben es nicht allzu schwer, ihren Status als das Vorzeigepaar schlechthin seit gut 400 Jahren zu halten. Mussten sie sich immerhin nie mit Dingen wie Gewöhnung, Abkühlung, Alltag und dem Streitpotenzial, das daraus entsteht, befassen. Um zu zeigen, dass Romantik zwar schön und gut ist, dem von den Lebenslasten geplagten Durchschnittspaaren aber auch nicht viel hilft, stellt Julya Rabinowich, aus St. Petersburg gebürtige Wiener Autorin, in ihrem am Donnerstag mit großem Erfolg im Wiener Schauspielhaus uraufgeführten Musiktheater den Liebenden aus Verona, Romeo +/- Julia, ein ebensolches gegenüber.

Die schlicht Er und Sie genannten Figuren kennen die Anstrengungen des Alltags nur zu gut:Sie, eine Schauspielerin, ist schon lange ohne Engagement, ihm, einem erfolgreichen Arzt, ist seine daheim sitzende Frau zunehmend zuwider. Also werfen beide einander ihr Unglück vor. Die Karriere habe sie doch seinetwegen aufgegeben, schleudert sie ihm entgegen. Er habe sie aber nie darum gebeten, giftet er kalt zurück. "Lass mich in Ruhe!", wünscht er: "Was ist passiert, dass wir nicht mehr glücklich sind?" , fragt sie, die zwischen Hysterie und dramatisch inszenierten Aufbäumungen Beruhigungstabletten schluckt.

Fein flatternde Fäden trennen auf der Bühne die Spielfläche (Ausstattung: Daniela Juckel) in zwei Teile: Während vorne das gefrustete Langzeitpaar einen nervenaufreibenden Verbalkrieg ausficht, schimmert hinter dem Vorhang das treue Paar aus einer anderen Zeit durch: Romeo und Julia, die in Götterweiß gekleidete Erinnerung dessen, was ihnen früher Glück gewesen sein mochte, scheinen zu antiken Statuen erstarrt.

Elisabeth Breuer und Paul Schweinester, beide noch Studenten an den Kunstuniversitäten in Graz bzw. Wien, spielen diese Rollen frisch und überaus einnehmend - und zeigen vortreffliche Gesangsleistungen. Ihre Schauspielerkollegen Eva Klemt (Sie) und Markus Heinicke (Er) vervollkommnen das hervorragende Ensemble, das für das Gelingen der Beziehungsspiele mit dem aufeinanderprallenden Jetzt und der süßen Erinnerung hauptverantwortlich zeichnet und (text-)dramaturgische Unebenheiten leichtfüßig ausgleicht.

Jörg Ulrich Krah hat den Stücktext von Rabinowich nach der Oper von Georg Anton Benda aus dem Jahr 1776 musikalisch eingerichtet, die Klänge Bendas mit jazzigen Elementen aufgemotzt, die Regisseur Andreas Leisner in seiner wunderbar stimmigen Inszenierung pointiert einsetzt. Nicht mehr und nicht weniger als schlicht ein guter, unterhaltsamer Theaterabend. (Isabella Hager, DER STANDARD/Printausgabe, 23./24.08.2008)