Viele Jahre lang zogen Jamaikas beste Sprinter in die USA oder nach Großbritannien, wo sie mehr Geld und bessere Trainingsbedingungen vorfanden als auf ihrem Inselchen. Es wurden Linford Christie (GB, Olympiasieger 1992), Donovan Bailey (CAN, Olympiasieger 1996) und Ben Johnson (Dopingfall 1988) in Jamaika geboren.

Der beste von allen, Usain Bolt, blieb daheim. Seit 1972 in München Waleri Borsow (UdSSR) die 100 m gewann, sind die weißen Sprinter verloren gegangen. Warum? Die Theorien häufen sich, niemand weiß Genaues. Gewisse Chemikalien könnten eine Rolle spielen. Möglicherweise haben Schwarze genetische Vorteile - mehr schnell kontrahierende Muskeln, bessere Enzym-Konstellationen für längere Strecken als Weiße.

Physis allein reicht freilich nicht, und selbst Wissenschaftler streiten um die Signifikanz der Unterschiede in einem Läufer. Spitzensportler sind Ergebnisse von ungeheurem Know-how, harter Arbeit, Leidenschaft und Selektion. Einst galten Schwarze ihrer "schweren" Knochen wegen als ungeeignet für das Schwimmen. Eine Mär. Tatsächlich üben viele Spitzenschwimmer in überwiegend von Weißen frequentierten Colleges. Auf "schwarzen" Unis wiederum pflegen sie die Sprint-Kultur.

Oder in Jamaika. Dort profitieren sie von systematischer Talenteauslese und steigendem Lebenskomfort. Die Legende von der "genetischen Überlegenheit" aus der Sklavenzeit taugt nur mehr als Ausrede für neidische Ex-Kolonialisten, denen Bolt und Kollegen um die Ohren laufen. (Johann Skocek - DER STANDARD PRINTAUSGABE 22.8. 2008)