"Geburt eines neuen Kamerasegments": Erfinder Osamu Nojima mit seinem Foto-Video-Hybrid Casio Pro EX-F1.

Foto: Koelling

Standard: Wie sind Sie bei Casio auf die Idee gekommen, die EX-F1 mit Superzeitlupe mit 60 bis 1200 Bilder pro Sekunde zu entwickeln?

Osamu Nojima: Unsere Mission ist Innovation in der Fotografie. Wir waren uns bewusst, dass wir bei Casio keine digitale Spiegelreflexkamera herstellen können. Wir wollten aber ein einmaliges Produkt entwickeln, das nicht einfach eine Kopie bestehender Konzepte ist. 60 Bilder pro Sekunde bei einer Auflösung von sechs Megapixeln hatte zuvor niemand gemacht. Der Zeitpunkt war günstig, als uns Sony den neuen CMOS-Sensor vorstellte.

Standard: Warum arbeitete der nicht zuerst in einem Sony-Produkt? Auch Sonys erster Full-Frame-Sensor wurde zuerst in einer Nikon eingesetzt.

Nojima: Sonys Teams für Bauteile und Endgeräte scheinen recht getrennt zu arbeiten. Das gleiche passierte bei uns bereits 2002, als Sonys Sensor zuerst bei uns und erst später in Sony-Kameras eingesetzt wurde.

Standard: Was waren die größten Probleme bei der Entwicklung Ihrer Kamera?

Nojima: Alles war schwierig. Zum Beispiel musste der Logikchip für die Bildverarbeitung, den wir selbst entwickelt haben, in der Lage sein, sehr hohe Datenmengen zu verarbeiten. Gleichzeitig musste die Hardware die Hitzeentwicklung ableiten. Wir hatten kurzfristig an einen kleinen Ventilator wie in einem Computer gedacht. Aber letztlich haben wir uns doch entschieden, die Hitze über einen Magnesium- und Kupferrahmen abzuleiten.

Standard: Daher erstreckt sich das Metallgehäuse also über die gesamte Objektivlänge. Durch all diese Neuerungen ist die Kamera um rund 800 Euro aber recht teuer geworden. Einige Spiegelreflexkameras sind billiger.

Nojima: Verglichen mit anderen Kompaktkameras ist sie recht teuer, aber die Technik und das Gerät sind es wert. Das Konzept ist anders. Umfragen zeigen uns, dass viele Käufer schon eine Spiegelreflexkamera besitzen und die EX-F1 wegen ihrer Hochgeschwindigkeitsfunktion als zusätzliche Kamera kaufen. Natürlich würde ich gerne den Preis senken, aber es ist schwierig, die Produktionskosten zu reduzieren.

Standard: Mit dieser Kamera treiben Sie die Verschmelzung von Foto- und Videografie weiter voran. Ist diese Fodeografie für Sie die Zukunft?

Nojima: Die Nachfrage für diese Hybridmodelle, die Foto- und Videofunktion vereinen, wird steigen. Wir bei Casio zielen auch genau auf diesen Kameratyp. So haben wir beispielsweise als erster Hersteller einen YouTube-Mode für eine unserer Kompaktkameras eingeführt. Dadurch können Kunden ihre Erfahrungen mit der Welt teilen. Die Wiedergabe über den Fernseher wird auch wichtiger.

Standard: Panasonic und Olympus haben gerade das neue Systemformat Micro FourThirds vorgestellt, das Wechselobjektive ohne teure und schwere Spiegeltechnik von Spiegelreflexkameras erlaubt. Einige Beobachter sehen das Ende der Spiegelreflex-Ära heraufdämmern. Wie sehen Sie die Zukunft?

Nojima: Die Spiegelreflexkamera wird nicht sterben. Der Spiegel hat eine wichtige Existenzberechtigung. Das Bild auf einem Display oder einem elektronischen Sucher wird mit einem Sekundenbruchteil Verzögerung dargestellt, mit dem Spiegel gibt es keine Zeitverzögerung. Denn Licht ist schneller als Elektronen. Das ist besonders bei der Verfolgung von Objekten entscheidend, die sich schnell bewegen. Wir werden daher die Geburt eines neuen Kamerasegments erleben.

Standard: Sie sind also mit den elektronischen Suchern nicht zufrieden? Glauben Sie nicht, dass sie aufholen werden?

Nojima: Ich bin überhaupt nicht zufrieden. Das Bild ist nicht so klar und nicht so scharf wie bei optischen Suchern. Wir hatten anfänglich nicht vor, einen elektronischen Sucher in die EX-F1 einzubauen. Aber unsere Kunden erwarten ihn und ein Spiegelreflexkamera-ähnliches Design bei diesem Preisniveau. Nach den Umfrageergebnissen auf der IFA in Berlin im Vorjahr haben wir sogar noch einen Blitzschuh auf den Sucher gesetzt, weil die Kunden das gerne wollten. Standard: Setzen Sie keine Hoffnungen in Displays aus organischen Leuchtdioden (Oled), die schärfer und kontrastreicher sind als Flüssigkristallbildschirme und vor allem schneller reagieren?

Nojima: Das ist eine Preisfrage. Oleds sind sehr teuer verglichen mit den herkömmlichen Displays. Nach meinem derzeitigen Kenntnisstand erwarte ich daher keinen großen Wandel in der Qualität der elektronischen Sucher. Wir werden vielleicht zu unseren Lebzeiten nicht mit dem elektronischen Sucher zufrieden sein. Aber vielleicht kann es eine Verbindung von optischem und elektronischem Sucher geben.

Standard: Wie sehen Sie das weitere Pixelwettrennen? Panasonic hat gerade seine hochwertigste Kompaktkamera Lumix LX3 mit weniger Pixeln als das Vorgängermodell auf den Markt gebracht. Ist der Wettlauf um immer mehr Pixel vorbei?

Nojima: Wenn ich auf Kundenbefragungen schaue, wird es noch eine Weile weitergehen, weil die Menschen mehr Pixel wollen. Die Sehgewohnheiten von Fotos ändern sich. Mehr Menschen schauen sich ihre Bilder auf hochauflösenden Flachbildschirmen an und wollen daher Ausschnitte vergrößern. Aber es wird nicht mehr ein so wichtiger Fokus sein wie in der Vergangenheit. Wir wollen lieber zusätzliche Funktionen bieten, nicht nur mehr Pixel.

Standard: Ein anderer Punkt ist die Form von Kameras. Die meisten Digitalkameras sehen immer noch aus wie analoge, obwohl sie ganz anders gestaltet werden könnten.

Nojima: Das hat mit den Kundenerwartungen zu tun. Aber es wird viele verschiedene Formen geben. Mein Traum ist immer noch, eine Kamera zu designen, die ich wirklich mag. (Martin Koelling/ DER STANDARD, Printausgabe, 20. August 2008)