Foto: Kompetenzzentrum

Michaela Salamun beschäftigt sich seit acht Jahren mit Südosteuropa.

Im Kompetenzzentrum Südosteuropa der Uni Graz analysieren JuristInnen, ÖkonomInnen und GeisteswissenschafterInnen den Übergang zu Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft in den Ländern Südosteuropas. Michaela Salamun, Assistentin für Öffentliches Recht an der Karl-Franzens-Uni, begleitet mit ihrem Forschungsprojekt den Transformationsprozess der öffentlichen Verwaltung im Rahmen der europäischen Integration: "Das Verwaltungsrecht macht einen wesentlichen Teil des Rechtsstaates aus, indem es den Raum für die Bürger gegenüber dem Staat ausgestaltet. Es spiegelt nicht zuletzt das Selbstverständnis des jeweiligen Staates wider."

Die promovierte Juristin und Absolventin der Anglistik arbeitete im Jahr 2000 als "legal advisor" der OSZE erstmals in Albanien und war von dem Land, das gern als Entwicklungsland mitten in Europa bezeichnet wird, fasziniert. Den Vergleich der Rechtskulturen zwischen der EU und den Ländern des Westbalkans führt sie seit 2005 "von außen nach innen" durch. Zunächst reiste die 34-Jährige mit einem MOEL-Forschungsstipendium der Österreichischen Forschungsgemeinschaft in der Tasche als Gastforscherin an das Institut für Öffentliches Recht der Universität Tirana. Von der albanischen Hauptstadt fuhr sie mit dem Bus wochenweise nach Montenegro, Serbien, Mazedonien und in den Kosovo.

2007 begab sie sich als Gastforscherin in die umfassende Bibliothek des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz, wo sie das "Innere der Union" aufbereitete. Im ersten Halbjahr 2008 folgte ein Fulbright-Forschungsaufenthalt am Center for European Studies der Harvard University, die ebenfalls über viele Meter Literatur über Europa von innen und außen verfügt. Mit den Auslandsaufenthalten überbrückte Michaela Salamun auch eine Lücke, die das neue Uni-Dienstrecht für Jungwissenschafter aufreißt: "In der derzeitigen rechtlichen Situation hat die Leistung – in vielen Fällen – keinen Einfluss darauf, ob man einen weiteren Vertrag bekommt", kritisiert Salamun.

Den Grund für die Scheu österreichischer WissenschafterInnen vor Südosteuropa vermutet sie in einem angenommenen Mangel an Forschungsmitteln. Ihre Sicht auf Albanien ist differenzierter: Es gibt Korruption und einen schwachen Staat, aber auch erste Strukturen für rechtsstaatlich funktionierende Institutionen.

Das kommunistische System und die Armut haben viele AlbanerInnen zu ÜberlebenskünstlerInnen gemacht: "Fast jeder spricht zwei Fremdsprachen, und die Gastfreundschaft ist einzigartig", so die Grazerin, die der schrittweise Aufbau des Rechtsstaates interessiert. Verständigen kann sie sich inzwischen in ganz Südosteuropa.

Der Verwaltungsvergleich ist für sie wie eine Reise: Man taucht ein in die Kultur eines anderen Staatssystems, lernt dessen Sprache und Besonderheiten kennen und kehrt mit erweitertem Wissen in die eigene Rechtskultur zurück. Zur Vertiefung ihrer Sprachkenntnisse liest sie Rechts- und Zeitungssprache, in ihrer Freizeit lieber albanische Literatur, etwa Ismail Kadare. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe 20.08.2008)