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Für mehr netto statt brutto in Österreich: (von links) Finanzstaatssekretär Matznetter, Böhler-Uddeholm-Chef Raidl, AK-Präsident Tumpel und Ditz von der Julius-Raab-Stiftung.

Foto: APA/Prantl

Alpbach - Die klare, feinstaubarme Luft des Tiroler Bergdorfs Alpbach hat am Dienstag über Partei- und Expertengrenzen hinweg den Nebel über einigen Punkten gelichtet, die wesentlicher Teil der für die kommende Legislatur geplanten Steuerreform sein sollen. Dazu gehört die Reduzierung der Steuersätze von Einkommen bis 4000 Euro brutto im Monat und eine Höherbesteuerung knapper Ressourcen, wie es etwa fossile Brennstoffe sind. Über die entscheidende Frage, wem was weggenommen werden soll zur Finanzierung der gewollten Mindereinnahmen aus der Lohn- und Einkommenssteuer, konnte jedoch trotz Höhenluft keine Einigung erzielt werden.

Nachdem tags zuvor Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) eine Wiedereinführung der unter SPÖ-Finanzminister Ferdinand Lacina in den 1990er-Jahren abgeschafften Vermögenssteuer ausgeschlossen hatte, plädierte Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter (SPÖ) bei den Alpbacher Reformgesprächen am Dienstag "für eine moderate und sinnvolle Besteuerung der Vermögenszuwächse" . Es gehe nicht um die Einführung einer neuen Steuer, sondern um das Schließen einer Lücke im Steuersystem. Das sei in anderen Ländern gang und gäbe, Österreich sei diesbezüglich eine "negative" Ausnahme. Nicht das Vermögen an sich soll nach Ansicht von Matznetter besteuert werden, sondern der Mehrwert, der sich aus der Differenz von Kauf- und Verkaufspreis, etwa einer Immobilie, ergibt.

Vier Milliarden aus Vermögensbesteuerung

Der Präsident der Bundesarbeiterkammer, Herbert Tumpel, pflichtete dem Finanzstaatssekretär bei und verwies darauf, dass dem österreichischen Staatssäckl rund vier Mrd. Euro pro Jahr zufließen würden, wenn Vermögen im Schnitt der EU-15 besteuert würde. "Ich fordere das nicht. Ich möchte nur nicht, dass das aus dem Bewusstsein verschwindet. Dieser Betrag steht Österreich nicht zur Verfügung."
Während die grüne Energie- und Umweltsprecherin Ruperta Lichtenegger der Besteuerung von Vermögen durchaus etwas abgewinnen kann, will sich Umweltminister Josef Pröll (ÖVP) gegen solche Ansinnen, auch was eine Wiedereinführung der erst Ende Juli ausgelaufenen Erbschafts- und Schenkungssteuer betrifft, querlegen. Oberste Priorität bei der Steuerreform, die Pröll wie von der inzwischen zerbrochenen rot-schwarzen Koalition 2010 kommen sieht, müsse die Entlastung des Faktors Arbeit sein, dann die Ökologisierung des Steuersystems. Pröll: "Es darf keine Zerstückelung des Gesamtpakets geben."
Gegen eine Vermögensbesteuerung sprach sich auch der frühere Finanzstaatssekretär und jetzige Präsident der Julius-Raab-Stiftung, Johannes Ditz, aus. Die Kapitalertragssteuer sei seinerzeit mit dem Versprechen eingeführt worden, Vermögen nicht anzutasten. Für die Steuerreform verlangt Ditz ein Volumen von fünf bis sechs Milliarden Euro - das Doppelte dessen, was derzeit im Gespräch ist.

Gestiegene Inflation

Claus Raidl, Vorstandsvorsitzender von Böhler-Uddeholm, wies auf die Inflation hin, die seit der letzten Reform der Steuertarife 1989 um etwa 50 Prozent gestiegen ist. Das zeige den Handlungsbedarf für Steuerpolitiker, um die kalte Progression (Hineinwachsen in die nächsthöhere Steuerstufe) abzufangen.

Die größte Steuerlast hat in Österreich ein unselbstständig Beschäftigter mit einem Bruttolohn von monatlich 4000 Euro zur tragen, zeigte Wirtschaftstreuhänder Karl Bruckner; der Grenzsteuersatz beträgt hier 49 Prozent. Damit hätten gehobene Angestellte einen höheren Grenzsteuersatz als Generaldirektoren börsennotierter Unternehmen. Mit einem Flat-Tax-Steuersatz von 45 Prozent und einem Freibetrag von 10.000 Euro ließe sich aufkommensneutral das ganze Steuersystem durchschaubar und trotzdem gerecht machen. Die Einkommensbezieher mit monatlich 2000 bis 4000 Euro brutto würden bei dem Modell um bis zu 1100 Euro jährlich weniger Steuern zahlen, so Bruckner.(Günther Strobl, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 20.8.2008)