Teheran/Wien - Nicht so sehr der iranische Satellit Marke Eigenbau erzeugt Nervosität, sondern die Trägerrakete, die Teheran nach eigenen, korrigierten Angaben am Sonntag mit einem Satelliten-Dummy ins All schickte (der Satellit soll bald folgen). Eine wirkliche Überraschung war jedoch auch das nicht: Niemand kündigt momentan seine technologischen Fortschritte - oder besser gesagt jene, gegen die bei aller Besorgnis die internationale Gemeinschaft rein rechtlich nichts einwenden kann - länger und lauter an als Teheran. Dass alle wissen, was Iran kann, ist sozusagen Teil des Programms.

Die Kombination - eigene Rakete, eigener Satellit, eigener Spaceport - ist in der Tat eine rare Sache in der Region. Der erste iranische Satellit 2005 wurde noch von Russland gebaut und mit einer russischen Rakete gestartet. Pakistan etwa hat im Vergleich dazu seinen ersten selbst entwickelten Satelliten (Badr-A) bereits 1990 nach oben geschickt, mit einer chinesischen Rakete (geplant war ein US-Abschuss gewesen, der jedoch durch die Challenger-Explosion 1986 vereitelt wurde). Badr-B wurde dann vom Baikonur Kosmodrom in Kasachstan ins All geschickt. Dort lässt etwa auch Ägypten seine Satelliten starten, die Kontrollstation ist jedoch in der Ukraine, das auch die Technologie für den Misr Sat geliefert hat. Saudi-Arabien wiederum arbeitet eng mit Russland zusammen.
Mit einem Wort: Iran wäre das erste Land der Region, das nicht mehr auf fremde Hilfe angewiesen wäre, weder beim Satellitenbau noch dabei, ihn in eine Umlaufbahn zu befördern. Das passt nahtlos in die Philosophie der völligen technischen Autarkie (natürlich nur eine Illusion), die älteren Datums ist, aber gerade in Zeiten der Sanktionen und politischen Isolation Irans dazu dient, der internationalen Gemeinschaft eine Nase zu drehen. Auch das Abschreckungselement spielt natürlich eine Rolle.

Wozu der Iran seine Errungenschaften nutzen will, dazu kommen von dies- und jenseits der iranischen Grenze völlig konträre Behauptungen. Tatsache ist, dass der Iran mit Kommunikationssatelliten eher unterversorgt ist, aber auch, dass mit dem Abschuss das strategische Raketenarsenal weiterentwickelt wird. Ohne das Raketenprogramm stünde die Welt auch dem iranischen Urananreicherungsprogramm gelassener gegenüber, für das ja die zivile Anwendung genauso auf der Hand liegt wie für Satelliten. Aber die militärische Nutzung eben auch.

In Israel, genauer gesagt in der Negev-Wüste, wollen die USA jetzt ein Radarsystem zur Frühwarnung vor Raketenangriffen installieren und betreiben, das die Alarmzeit vor einfliegenden Raketen signifikant verkürzt, weil es sie bereits in der Entfernung von 2000 (früher 900) km erfasst. Das passt zu Meldungen, dass die US-Regierung der israelischen Regierung mitgeteilt haben soll, dass ein israelischer Angriff auf den Iran den US-Interessen zuwiderlaufen würde.
Wobei Experten ziemlich einhellig meinen, dass das politische Risiko eines solchen Angriffs in keinem Verhältnis zum militärischen Nutzen stünde, denn ein über viele Orte verteiltes Zentrifugen-Urananreicherungsprogramm lässt sich nicht auslöschen wie zum Beispiel ein einzelner Reaktor zur Plutoniumgewinnung. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, Printausgabe, 19.8.2008)