Wien - Man muss keine Kämpferin für Asylwerberrechte sein, um mit dem Kärntner Landeshauptmann über den Umgang mit Flüchtlingen in Streit zu geraten. Das bewies im Juli Innenministerin Maria Fekter, die Jörg Haider nach dem Abtransport von sechs - wie er fälschlicherweise behauptete - straffällig gewordenen Tschetschenen aus Kärnten nach Niederösterreich mit Anzeigen wegen Nötigung und Freiheitsentziehung drohte.

Fekters Vorgänger im Amt, der inzwischen als Landeshauptmann nach Tirol übersiedelte Günther Platter, war sieben Monate früher mit dem Kärntner Landeshauptmann weitaus konsensorientierter umgegangen. Nach einer tatsächlich durchgeführten Abschiebeaktion im Jänner 2008 hatte Haider dem damaligen Chef in der Wiener Herrengasse zugesichert, für 18 gleichfalls unschuldig zum Handkuss gekommene Tschetschenen ebenso viele ihm genehmere "Asylanten" in Kärnten einreisen zu lassen.

Platter ließ das ohne viel Gegenwehr geschehen. Ein Entgegenkommen im Konfliktfall, das nicht nur seinen Umgang mit politischen Mitbewerbern bestimmte. Auch in seinem eigenen Einflussbereich verhielt sich der erste ÖVP-Innenminister einer großen Koalition loyal. Selbst angesichts manch problematischer Entwicklung und obwohl sich gerade in seiner Amtszeit ernsthafte Verwerfungen zeigten: mit eine Folge des unter seinem Vorvorgänger Ernst Strasser begonnenen Posten-Umbesetzens.

Auf die Skandale bei der Wiener Polizei reagierte Platter, zumindest nach außen hin, zurückhaltend, solange es ging. Dafür zeigten sich in seiner Amtszeit deutlich die nachteiligen Seiten der unter Innenministeriumsbeamten verbreiteten Praxis, Untergebenen mündliche, formal nicht nachvollziehbare, aber durchaus verbindliche Weisungen zu erteilen.

Deren Negativfolgen für die Persönlichkeitsrechte von Betroffenen kamen im Untersuchungsausschuss über das Innenministerium zutage. In die Geschichte des Innenressorts könnte der ausgebildete Buchdrucker und ehemalige Gendarm aus Tirol einmal als jener Minister eingehen, der ein als veraltet erkanntes Weisungsregime nicht überdachte, sondern im Gegenteil es verteidigte.

Dafür mehrte Platter im Dienst der inneren Sicherheit die polizeilichen Kompetenzen: Sexualstraftäterdatei, Online-Durchsuchung, Handypeilung - Letzteres zusammen mit dem Koalitionspartner SPÖ bei einer Abstimmung kurz vor Mitternacht. Übertrieben viel Respekt vor individuellen Grundrechten zeigte der Mann, der für traditionelle ÖVP-Wähler wohl ziemlich perfekt den Law-and-Order-Standpunkt repräsentiert, dabei nicht.
Erinnernswert etwa sein im März 2007 gemachter Vorschlag, bei der EURO 2008 für Hooligans Präventivhaft einzuführen. Die Warnungen von Rechtsexperten und das dezidierte Nein von Justizministerin Maria Berger (SPÖ) ließen den Ressortchef von der Idee abkommen.

Defensive Härte kann auch als roter Faden bei Platters Auftreten in asyl- und fremdenrechtlichen Fragen gelten. Die beim Start durchaus interessanten, im Finish dann halbherzigen Versuche des Aufbaus einer Integrationsplattform kompensierten das nicht. Die Angewohnheit seiner Vorgängerin Liese Prokop, ein Minus bei den Asylwerberzahlen oder jenen von Eingebürgerten als politischen Erfolg zu feiern, übernahm er. Zum Bleiberecht sagte er dezidiert Nein. Und im medialen Ringen mit der heute 16-jährigen Kosovarin Arigona Zogaj zeigte er keinerlei Konsensbereitschaft.

Das Mädchen und seine gesamte Familie müssten Österreich verlassen, entschied der 53-Jährige nach Arigona Zogajs Abtauchen und Suiziddrohung. Auch als ihm der Verfassungsgerichtshof endgültig den Entscheidungsball zugeworfen hatte, blieb er dabei: Das brachte ihm etwa in der deutschen Zeitschrift Die Zeit den Titel "Minister Gnadenlos" ein.

Emotional überfordert

Wer Platter in diesen Tagen beobachtete, konnte den Eindruck gewinnen, dass er emotional ziemlich überfordert war. Doch seine damalige Entscheidung kann als Weichenstellung gelten: Dass Menschen abgeschoben werden, die hier jahrelang Beziehungen, Familie und ein Auskommen hatten, wird inzwischen in der Öffentlichkeit nicht mehr als Problem wahrgenommen. Die Law-and-Order-Positionen seiner Nachfolgerin Fekter im Wahlkampf lassen hier keine Änderung erwarten. (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe, 19.8.2008)