Hier werden die illegalen Produkte untersucht

Foto: AGES PharmMed/OMCL der AGES PharmMed, April 2008

Labor im OMCL (Arzneimittelkontrolllabor)

Foto: AGES PharmMed/OMCL der AGES PharmMed, April 2008

2007 verkaufte ein aus Ungarn stammender "homöopathischer Tierarzt" angebliche Veterinär-Homöopathika in Österreich: Enthalten waren ein Beruhigungsmittel, ein Cortison, ein Entzündungshemmer und drei Konservierungsmittel

Foto: AGES PharmMed

Dimensionale Ansicht eines Chromatogrammes (Zeit, Wellenlänge Intensität)

Foto: AGES PharmMed/OMCL der AGES PharmMed, April 2008

"Zutritt für Unbefugte verboten" steht auf der Tür zum Labor der AGES PharmMed (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit), in dem Arzneimittel auf ihre Sicherheit und damit auf Fälschungen untersucht werden. Betreten werden darf der Raum nur mit Labormantel. Ein ständiges Summen ist zu hören, denn die Maschinen, die die Fälschungen aufdecken, sind in Betrieb.

In den Schränken ringsherum steht alles, was sich der Laie in einem Labor vorstellt: Glassäulen mit Messkennzeichnungen, Laborgläser mit Bauch und in den Laden finden sich Spritzen aller Größen. Die AGES PharmMed ist seit mehr als zwei Jahren für die weitgehende Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von hierzulande verfügbaren Arzneimitteln vor, während und nach ihrer Zulassung verantwortlich. Im Labor werden illegale Produkte aufgedeckt.

Milliardengeschäft

Für die Labormitarbeiter gibt viel zu tun, denn mit Arzneimittel-Fälschungen lässt sich gut verdienen: Das weltweite Marktvolumen für gefälschte Arzneimittel wird für das Jahr 2005 auf 30 Milliarden Euro geschätzt, 2010 soll sich die Summe verdoppelt haben. Der Profit ist riesig und mehr, als mit illegalen Suchtmitteln verdient wird, "denn das Risiko ist kleiner", erzählt Andreas Mayrhofer vom OMCL (Arzneimittelkontrolllabor) der AGES.

Analyse verdächtiger Proben

Mit Chromatographie und Massenspektrometrie wird in seinem Labor verdächtigen Proben zu Leibe gerückt, indem sie in ihre Bestandteile zerlegt werden. In 50 bis 100 Bestandteile lösen sich die Proben in einer komplizierten Prozedur dann auf. "Im Idealfall kommt ein Wirkstoff heraus", erklärt Laborexperte Egon Hellwig. Danach werden die Bestandteile gemessen und identifiziert.

Ein normaler Durchlauf für eine gesamte Analyse dauert rund sechs Stunden, oft aber auch länger. Kommt nicht gleich ein eindeutiger Wirkstoff heraus, kann die Bestimmung schon einmal ein paar Wochen dauern. Damit die großen weißen Maschinen bei der schwierigen Arbeit nicht überhitzen, herrscht eine angenehme Kühle im Raum.

Scheinbare "Wundermittel"

Auf einem Tisch im Labor liegt nur eine kleine Auswahl von beschlagnahmten Packungen: Asiatisch ausschauende Kräutermedizin, "deren Wirkstoff nicht zugelassen ist", eine Packung Tabletten "mit einem ungereinigten immunstimulierenden Stoff, der Hilfe bei Krebs und Neurodermitis verspricht". Egon Hellwig hat kennt viele Wundermittel, die keine sind: Es gibt auch 'Tamiflu', das nur Ascorbinsäure enthält und rund zwanzig Abwandlungen des legalen Wirkstoffs von 'Viagra' (PDE5-Inhibitoren, Anm.).

Allein 2007 wurden in Österreich 97 solcher gefälschter "Erektionshilfen" entdeckt und aus dem Verkehr gezogen. Mehr als die Hälfte wiesen ernsthafte Gesundheitsrisiken für die potenziellen Konsumenten auf. Anabolika befinden sich ebenfalls unter der Fälschungs-Hitliste in Österreich. "Man bekommt sie in praktisch jedem Bodybuildingstudio", so Mayrhofer.

Der Schein trügt

Die Packungen, die das Labor untersucht, stammen meist von der Polizei, die sie beim Zoll beschlagnahmt und rund 95 Prozent der im Internet verkauften Pharmaka sind Fälschungen oder Substandard.

Relativ einfach erkennen die Spezialisten die Unregelmäßigkeiten auf den Verpackungen: "Besonders schwer zu fälschen sind die Farben der Logo-Aufdrucke auf den Packungen der illegalen Mittel", weiß Mayrhofer. Und tatsächlich - wirft man mit dem Handmikroskop einen Blick auf die Aufdrucke, sieht man beim gefälschten Logo eines bekannten Arzneimittelherstellers deutlich die rot-blau-grünen Punke des Druckers. Das Logo der Originalverpackung ist im Vergleich dazu nur blau. Allerdings: mit freiem Auge ist der Unterschied quasi nicht zu erkennen.

Geschäft mit Sex und Aussehen

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 463 illegale Arzneimittel von der AGES untersucht. "Präparate, die mit Aussehen und Sex zu tun haben, werden besonders häufig gefälscht", so Mayrhofer. Die meisten Fälschungen kommen aus China. Zum größten Teil werden sie über das Internet vertrieben - eine besondere Gefahr für die Gesundheit - weil Konsumenten häufig nicht abschätzen können, welches Risiko hinter solchen vermeintlichen "Arzneimitteln" steckt.

Ein besonders skrupelloses Beispiel ist Ende vergangenen Jahres in Wien passiert, mangels Laborprobe gibt es jedoch keinen Beleg für die Fälschung: Vor Schulen wurden scheinbar unwirksame Anti-Baby-Pillen mit türkisch-sprachiger Kennzeichnung angeboten. Eine Anfrage beim schulärztlichen Dienst hat den Verdacht laut Angaben der AGES erhärtet.

Katz-und-Maus-Spiel

"Ein großes Problem ist, dass die Fälscher leider auch dazu lernen und die Namen von dubiosen Präparaten wie "X-He" oder "Perfex-men" einfach wechseln", erklärt Alexander Hönel, Leiter der Medizinmarktüberwachung. Da komme es dann zu einem Wettlauf mit der organisierten Kriminalität.

Eine neue Art der Arzneimittelfälschung sind "Pseudohomöopathika", also Homöopathika, die mit rezeptpflichtigen Wirkstoffen versetzt sind. Die falschen Dosierungen der Medikamente können geringe bis schwerste Nebenwirkungen verursachen und sogar zum Tod führen. (Marietta Türk, derStandard.at, 20.8.2008)