Berlin  - Deutschland findet nach Einschätzung von DIW und Bundesbank vorerst nicht aus dem Konjunkturtal. Nach dem Einbruch im Frühjahr prognostiziert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Sommerquartal lediglich ein Wachstum von 0,1 Prozent. Aber auch ein erneuter Rückgang des Bruttoinlandsproduktes sei nicht ganz ausgeschlossen, hieß es am Montag. Die Bundesbank sagt bis Jahresende eine gedämpfte Entwicklung voraus, sieht aber zumindest bei der Teuerungswelle den Scheitelpunkt erreicht.

Die Wirtschaft trete im Sommer auf der Stelle, sagte DIW-Konjunkturexperte Stefan Kooths. "Es wäre aber völlig abwegig, von einer Rezession zu sprechen." Zwar dürften Industrie und Bau weiter schrumpfen, doch werde der Dienstleistungssektor, der 70 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht, ebenso wie der Handel wieder wachsen. Weil auch die Arbeitslosigkeit weiter zurückgehen werde, könne von einem breiten Abschwung nicht die Rede sein, sagte Kooths.

Die Wirtschaft war im Frühjahr um 0,5 Prozent im Vergleich zum Vorquartal und damit erstmals seit 2004 gesunken. Der Abwärtsdruck werde sich zwar nicht verstärken, schrieb die Bundesbank in ihrem Monatsbericht. Das "Risikogemisch" aus Finanzkrise, teurem Euro und hoher Inflation lasse aber bis Jahresende eine "konjunkturelle Durststrecke" erwarten.

Hohe Inflation

Ein Grund dafür sei die Inflation. Durch die massive Verteuerung von Energie hätten die realen Einkommensverluste hierzulande und in anderen Industriestaaten "ein beträchtliches Ausmaß angenommen" und die Konsumbereitschaft beeinträchtigt. "Das schwächt die Inlandsnachfrage und die Konjunktur in wichtigen Exportmärkten." In Deutschland sieht die Bundesbank den Gipfel bei der Inflation erreicht. Die Teuerungsrate dürfte in den kommenden Monaten "leicht" nachgeben. Viele Agrarprodukte könnten wegen des gestiegenen Angebots billiger werden. "Auch Kraftstoffe und Heizöl werden sich wahrscheinlich infolge der Korrekturen am Rohölpreis wieder verbilligen." Allerdings bleibe die Teuerungsrate "deutlich über zwei Prozent", weil etwa für Gas kräftige Preisanhebungen angekündigt worden seien.

Unterdessen warnte der deutsche Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) vor Schwarzmalerei. "Es gibt keinen Grund für Katerstimmung, aber auch keinen zum Durchfeiern", sagte Glos der deutschen "Bild"-Zeitung (Montagausgabe). Die Regierung erwarte in diesem Jahr weiter ein Wachstum von 1,7 Prozent. 2007 waren es noch 2,5 Prozent. Ein Konjunkturprogramm lehnt Glos ebenso wie die Bundesbank ab. "Staatliche Ausgabenprogramme hinterlassen wenig Wirksames außer neuen Schulden." Der Minister plädierte stattdessen für dauerhafte Steuer- und Abgabensenkungen.

Gegen eine Rezession spricht der Optimismus der Familienunternehmen und die hohe Kreditvergabe. Mehr als 40 Prozent erwarten bis Jahresende steigende Umsätze, ergab eine Umfrage des Wirtschaftsmagazins "impulse". 8,2 Prozent befürchten ein Minus. Die Sparkassen haben im ersten Halbjahr deutlich mehr Kredite an Unternehmen und Selbstständige vergeben als im Jahr zuvor. Die Darlehenszusagen stiegen von Jänner bis Juni um 15,3 Prozent auf 28,8 Milliarden Euro, wie der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) mitteilte. (APA/Reuters)