Selten wurde in Wien ein architektonisch mutigeres Projekt realisiert, weshalb auch die Reaktion der Menschen, die den Gebäudekomplex des Wiener Architektenbüro Rüdiger Lainers zum ersten Mal sehen, nicht verwunderlich ist. Von "Termitenhaus" über "Mediterran!" bis "Haus mit Balkonitis" reichen die zahlreichen Reaktionen: Kalt lässt dieses Haus keinen!

Fotografiert von Michael Hierner, Architekturfotograf aus Wien
www.hierner.info

Foto © Michael Hierner / www.hierner.info

Und das ist auch gut so, denn Architekten möchten und sollen sich durchaus etwas trauen und müssen auch im 21. Jahrhundert versuchen, neue Wege zu gehen. Dabei ist der hier beschrittene Weg eigentlich kein neuer: Inspiriert vom Erfolg der Terrassenhäuser des Architekten Harry Glück (Wohnpark Alterlaa), der in dieser Gegend, nur einen Häuserblock weiter, schon vor drei Jahrzehnten ein Terrassenhaus umsetzte, wurde ein Wettbewerb für das Grundstück auf den ehemaligen Nissan-Tarbuk-Gründen ausgeschrieben.

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Der siegreiche Entwurf von Rüdiger Lainer und Andrea Graßmugg fasziniert durch das brachiale Konzept der weit herausstehenden Terrassen, Veranden und Loggien. Diese sind auf sich drehenden und windenden Baukörpern angebracht, die durch ihre Form einen starken Bezug zur Sonne und ihren verschiedenen Positionen im Laufe des Tages nehmen.

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Trotz der dichten Verbauung wurden viele Freiräume und Blickachsen geschaffen. Eine große Variation unterschiedlicher Baukörperformen sowie ein Farbkonzept mit unterschiedlichen Rot-, Blau- und Gelbtönen sorgen dafür, dass das Gebäude fast wie eine gewachsene Stadtstruktur wirkt.

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Fast alle der 250 Wohnungen haben einen Balkon. Sie sind das zentrale Element der Gestaltung dieser Anlage und ragen auffallend weit über den Gebäudekörper hinaus. Als gestalterisches Element wurden in die Fertigbetonteile der Balkons Bambusreliefe eingegossen.

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Jeder Balkon ist überdacht und kann dank verschiebbarer Glasflächen fast komplett geöffnet oder auch wie ein geschlossener Wintergarten benutzt werden.

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Hier ein Blick in den Innenhof, in dem sich auch ein Kindergarten befindet. Grüne Freiflächen, Sitzbänke, ein Spielplatz und Sandkisten sowie großzügig benutzbare Dachzonen bieten Platz für die Bewohner.

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Details aus dem Garten des Kindergartens: Runde Löcher sorgen für Ausblicke, eine Wendeltreppe verbindet Garten und Dach. Mediterran auch die Farbe dieses Gebäudeteils.

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Der Baukörper zur Gußriegelstraße verdeckt gleichzeitig auch die Einfahrt zum unterirdischen Parkhaus.

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Ein Teil dieses Gebäudes befindet sich auf Stützen und schwebt.

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Die intensive Nutzung des Dachbereiches war ein Grundkonzept des Architektenteams bei der Planung des Gebäudes. Zwar wurde leider - wie einst bei Glück - kein Swimmingpool realisiert, aber immerhin sorgen viele Sitzmöglichkeiten sowie eine Sauna für Entspannung am Dach.

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Im Inneren des höchsten Bauteils befindet sich ein weiteres architektonisches Schmankerl: Ein riesiges Loch durch alle Ebenen des Stiegenhauses hindurch erlaubt imposante Blickwinkel nach oben und unten und erweckt Assoziationen zum weltberühmten Innenraum des New Yorker Guggenheim-Museums.

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Wie unterschiedlich ein und dasselbe Haus wirken kann, offenbaren die nächsten beiden Fotos: Während der Blick von Westen eine recht glatte, orange Fassade zeigt,...

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...scheint die östliche Seite dank mehrerer Knicke fast schon zu "tanzen" und es dominieren die kühleren Farbtöne, die Wasser und Luft assoziieren lassen.

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Apropos "Luft": Hier zwei Ausblicke, jeweils vom Dach des östlichen und des westlichen Gebäudeteiles. Am oberen Bild sieht man das vor 30 Jahren von Harry Glück entworfene Projekt "Inzersdorfer Straße", welches die Maximierung von Terrassen zum Ziel hatte und als Vorbild für den Bauwettbewerb diente. Das untere Bild zeigt den Blick Richtung Wienerberg sowie das erst kürzlich fertig gestellte Hochhaus der GPA.

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Wie das Gebäude bei den Mietern ankommt und ob das Konzept aufgeht, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Zu hoffen ist, dass das Projekt auch andere Architekten dazu bringt, wieder mehr mit Farben und Formen zu experimentieren und die oft gleichförmigen Quaderformen und Glasfassaden der letzten Jahre hinter sich zu lassen. (derStandard.at, 18.8.2008)

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Text: Michael Hierner und Christian Ondrak.

Am kommenden Mittwoch (20.8.) gibt es einen Besichtigungstermin (16 bis 18 Uhr), Näheres dazu siehe Website www.heimbau.at.

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