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"Heutzutage funktioniert der Fußball fast wie Handball. Zurückziehen und schnell nach vorne agieren", beschreibt Kocian seine Philosophie.

Foto: AP/Sarbach

Standard: Sie waren slowakischer Teamchef, sind nun österreichischer Co-Trainer. Das schaut nicht gerade nach einem rasanten Aufstieg aus, oder?
Kocian: Ich habe in der Slowakei etwas angefangen, das ich nicht zu Ende führen durfte. Als mich Karel Brückner angesprochen hat, habe ich ganz kurz überlegt, ob das ein Absturz ist. Diesen Gedanken habe ich sofort vergessen. Wichtig war für mich, im Geschäft zu bleiben. Ich kann nun anderswo die Arbeit fortsetzen. Das österreichische Team hat Ähnlichkeiten mit dem slowakischen, die Spieler sind jung und hungrig.

Standard: Brückner bezeichnet Sie und Andreas Herzog nicht als seine Assistenten, sondern als Partner. Wie kann man sich diese Partnerschaft vorstellen?
Kocian: Brückner ist kein Diktator. Man tauscht Gedanken aus, er lässt sich ansprechen, wir diskutieren offen. Das Klischee vom Assistenten, der nur Leiberln verteilt und bunte Hütchen aufstellt, stimmt nicht. Diese Zeiten sind vorbei, heutzutage sind Kollektivarbeit und Individualtraining wichtig. Gekränkte Eitelkeiten sind da völlig fehl am Platz. Mich reizt die Aufgabe in Österreich. In der Liga steckt Potenzial. Man muss es wecken, das wird nicht einfach. Jung sein alleine reicht nicht, es kommt auf Qualität und Erfahrung an.

Standard: Ist es von Vorteil, Ausländer zu sein? Sie und Brückner gehören keinen Seilschaften an, die Freunderlwirtschaft fällt weg.
Kocian: Wahrscheinlich ist das gut. Ich schaue nur auf die Spieler, lasse mich nicht beeinflussen, bin neutral und objektiv, gehe unbelastet an die Sache. Ein kleiner Nachteil ist, dass das Vorwissen fehlt. Schön langsam entsteht aber ein schärferes Bild. Da spielt Andreas Herzog eine wichtige Rolle.

Standard: Wie sieht Ihre Fußballphilosophie aus?
Kocian: Aus einer guten Defensive heraus noch besser kontern. Heutzutage funktioniert der Fußball fast wie Handball. Zurückziehen und schnell nach vorne agieren. Kompaktheit ist das Wichtigste.

Standard: Ist es nicht kühn, die WM-Qualifikation als Ziel auszugeben? Frankreich, Rumänien und Serbien sind in der Gruppe weit höher als Österreich einzuschätzen.
Kocian: Es ist klar, dass wir nicht der Favorit sind. Das ist aber ein Vorteil. Wir können von unten angreifen. Ob unser Ziel realistisch war und ist, muss nach jedem Spiel neu beurteilt werden. Aber kein Trainer auf der Welt würde sagen, dass er sich nicht qualifizieren möchte.

Standard: Was erwarten Sie vom Match gegen Italien am Mittwoch in Nizza? Verspüren Sie Nervosität?
Kocian: Ich habe mit der Slowakei schon gegen Deutschland oder Frankreich gespielt, weiß also, was da auf einen zukommt. Italien ist regierender Weltmeister, zählt zu den fünf besten Nationen. Ich hoffe, dass wir die richtigen Spieler ausgewählt haben und sie dem neuen Trainerstab zeigen wollen, was sie drauf haben. Die Aufgabe gegen Italien ist sicher groß. Jene am 6. September im ersten Qualifikationsspiel gegen Frankreich ist aber noch größer.

Standard: Der Stellenwert des österreichischen Fußballs ist nicht unbedingt hoch. Die Weltrangliste ist ein Jammer, das Team liegt hinter Benin an 103. Stelle.
Kocian: Mit den negativen Ergebnissen vor der EM war es klar, dass man tiefer und tiefer in dieser komischen Rangliste fällt. Die spiegelt das wahre Bild nicht wider. Ich habe Videos gesehen, die waren durchaus beeindruckend. Zum Beispiel vom 1:1 gegen Ghana.

Standard: Sie und Herzog müssen Medienarbeit übernehmen, Brückner möchte nur die Pflichttermine wahrnehmen. Erste Kritik wurde laut, weil Marc Janko zunächst nicht einberufen wurde. Was sagen Sie dazu?
Kocian: Wir haben über Personalia sehr lange diskutiert. Über die Nominierung von Maierhofer waren wir uns einig. Und Janko gehört ohnehin zum engeren Kreis. Deshalb haben wir ihn ja nachnominiert.

Standard: Nervt Sie Medienarbeit?
Kocian: Nein, das gehört zum Geschäft, das ist okay. Die Leute wollen informiert werden, sie haben ein Recht darauf. Fußball wird ja nicht im Geheimen gespielt. Josef Hickersberger pflegte einen sehr offensiven Umgang mit den Medien. Aber jeder hat seine eigene Philosophie. Man muss akzeptieren, dass Brückner in der Öffentlichkeit nicht viel spricht. (Christian Hack,l DER STANDARD Printausgabe 18. August 2008)