Willkommen im Weichspül-Land EU: Die Georgier und mit ihnen die Bewohner des von Moskau euphemistisch "nahes Ausland" genannten einzigen großen Armeetrainingsplatzes an Russlands Westgrenzen - die Ukraine, die baltischen Staaten, Moldau, die Ölrepublik Aserbaidschan - werden sich die Augen reiben über den Beschluss der Außenminister zur Waffenruhe im Kaukasus. Die Europäische Union wird "Beobachter" entsenden, nach reiflicher Überlegung und gewisser Zeit. Dabei zählt in Georgien jetzt jede Minute.

"Soft power" ist ein wichtiges Instrument in der internationalen Diplomatie, um Frieden ohne Einsatz von Gewalt zu erzwingen. Die "weiche Kraft" der EU im Zeichen des Kaukasuskriegs aber ist kaum mehr als ein probates Mittel, um Entschlusslosigkeit und inneren Streit zu verdecken. Wenn selbst die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), fürwahr kein Springinsfeld der internationalen Politik, "beunruhigende Berichte" über ethnische Säuberungen in der Separatistenprovinz Südossetien anführt, ist es Zeit zum Handeln.

Die Erfahrung mit den Völkermorden auf dem Balkan dürfe sich nicht wiederholen, sagte schließlich auch Außenministerin Ursula Plassnik, bevor sie am Mittwoch in die Denk- und Beratungsrunde der Ministerkollegen in Brüssel ging. Außer grundsätzlichen Zustimmungen zu einem Engagement in Georgien hat es jedoch nichts gegeben. In dreieinhalb Wochen, im schönen Avignon, will man sich wieder mit dem Kaukasus befassen. Gut möglich, dass dann noch Georgier in Südossetien am Leben sind und die russische Armee die eine oder andere Straßenbrücke vor Tiflis übriggelassen hat.

Das "soft power"-Debakel der Europäer hat seinen Ausgang im Vermittlungsvorschlag des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy genommen. Vage, weit offen in entscheidenden Punkten wie den "zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen", die Russland ergreifen soll, bevor neue "internationale Mechanismen" zur Friedenssicherung geschaffen werden, haben zögerliche EU-Staaten wie Deutschland oder Italien genug Raum zum Manövrieren gefunden. Hatte Außenminister Franco Frattini auch nicht vor ein paar Tage vor einer "antirussischen Koalition" innerhalb der EU gewarnt? Eine klare Entscheidung für die rasche Entsendung von Friedenstruppen - nicht "Beobachtern" - nach Georgien hätte Sarkozys Plan dagegen Gehalt gegeben.

Russland diktiert seinen Frieden im Kaukasus, weil die Europäer - und bis dahin auch die Amerikaner - diesem Machtanspruch nichts entgegensetzen wollen. Dass ihnen der georgische Präsident, der ebenso amateurhafte wie verantwortungslose Michail Saakaschwili, alles andere als eine Hilfe ist, steht auf einem anderen Blatt. Georgien war den Führern der EU in den vergangenen Jahren immer gut genug als Vorführmodell der europäischen Nachbarschaftspolitik und für Reden über den "Transitkorridor" zwischen Zentralasien und Europa zur Energiesicherheit der EU.

Nur die Osteuropäer, die ihre Erfahrungen mit der Sowjetunion gemacht haben, und Großbritannien, das sich nicht mehr über die Natur des neuen Russlands täuschen lässt, so erweist sich nun, sind bereit, sich für die Georgier einzusetzen. Die Ukraine schränkte nun die Bewegung der russischen Flotte auf der Krim ein. Es ist ein Zeichen konkreter Solidarität, auf das die Georgier warten. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.8.2008)