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Saddam Hussein vor Gericht: Der Prozess war nicht nur ein irakisches, sondern auch ein amerikanisches Versagen. Eine Arte-Dokumentation fasst zusammen.

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Die Angeklagten im Dujail-Prozess im Gerichtssaal, rechts vorne Saddam Hussein.

Foto: Esteban Uyarra / Arte

Der Wurm war eben von Anfang an drin, aber das würden die Beteiligten bis heute nicht zugeben, zumindest nicht öffentlich. Wenn Eric Blinderman, der amerikanische Berater der Anklage, während des Berufungsverfahrens gegen das Todesurteil angewidert Bagdad verlässt und wenn Bill Wiley, der kanadische Berater der Verteidigung, den Prozess im Nachhinein als "Posse" bezeichnet, dann muss jedoch auch für den blindesten Apologeten die Illusion zusammenbrechen, dass der Prozess gegen Saddam Hussein internationalen Standards genügt hat.

Der Filmemacher Esteban Uyarra zeigt den Prozess gegen den früheren irakischen Diktator als Entwicklungsstück, aus der Sicht Wileys und Blindermans, die sich beide als Juristen darum bemühen, dass der Prozess ihren eigenen Ansprüchen gerecht wird. Ihre Welt hat aber mit der, die sie in Bagdad vorfinden, nichts zu tun. Und während der Prozess läuft, gleitet der Irak immer weiter ab. Als ein Verteidiger nach dem anderen ermordet wird, muss Wiley um seine eigene Sicherheit bangen.

Wobei die Vermutung im Raum steht, die Saddamisten selbst könnten die Mörder jenes Anwalts sein, der von der "Polizei" mitgenommen, gefoltert und getötet wird. Wozu die Anhänger seines Klienten fähig sind, das ist Wiley schon gedämmert. Dass zu dieser Zeit schon längst die schiitischen Milizen das Innenministerium unterwandert haben, weiß er offenbar noch nicht.

Rolle als "Präsident"

In keinem Moment im Film wird unterstellt, dass Saddam Hussein "Unrecht" geschieht, im Gegenteil, er selbst beraubt sich ja seiner Verteidigung, indem er die Rolle als "Präsident" weiterspielt und als solcher auch die Verantwortung für alles übernimmt. Aber um "Recht" im juristischen Sinne geht es eben auch nicht. "Das ist nicht einmal politisch, das ist nur Rache", ist Wiley fassungslos angesichts des Agierens der irakischen Regierung. Ein Tiefpunkt scheint erreicht, als diese während des Berufungsverfahrens jene zwei Richter abberufen lässt, die beim Todesurteil zögern.

Aber Premier Nuri al-Maliki sagt ja noch während des Verfahrens, dass nichts in der Welt etwas daran ändern wird, dass Saddam hängt. Wiley wünscht sich, dass der US-Botschafter in Bagdad Maliki einen Maulkorb verpassen möge. Die Amerikaner (von denen man sich biometrisch erfassen lassen muss, wenn man das Gerichtsgebäude betritt - das kommt im Film nicht vor) haben in Wahrheit längst die Kontrolle verloren.

Der Saddam-Prozess, der als Vergangenheitsbewältigungs- und nationales Versöhnungsprojekt nicht nur scheiterte, sondern den Irak weiter in die Spaltung trieb, war nicht nur ein irakisches, sondern auch ein amerikanisches Versagen. Allein die Form des unter US-Ägide geschaffenen Gerichts war fragwürdig. Das kommt im Film vielleicht etwas zu kurz.

Trauer, Kopfschütteln, Entsetzen

Man ist hin- und hergerissen zwischen Trauer über die vertane Chance, Kopfschütteln über die neue irakische "Elite" und dem Entsetzen über den Massenmörder Saddam und seine Verbrechen, von denen nur ein Ausschnitt vor Gericht verhandelt wird. Ein völlig reueloser Saddam schreit in die Urteilsverkündung herein: "Fahrt zur Hölle!" Das schreien sie auch bei seiner Hinrichtung.

Der Film "Saddam Hussein - Der Prozess" wurde kurzfristig auf den 21. 8., 10.45 Uhr verschoben. Am Donnerstag, 22.25, sendet Arte stattdessen eine Diskussion über den Konflikt im Kaukasus. (Gudrun Harrer, DER STANDARD; Printausgabe, 14.8.2008)