Im oberösterreichischen Rosenau bei Lenzing wird intensiv Erdgas gesucht und gefördert, 24 Stunden täglich, 365 Tage im Jahr. Vier Mann arbeiten pro Schicht auf der Arbeitsplattform des Bohrturms, bekleidet mit blauen Overalls und mit den typischen gelben Schutzhelmen auf dem Kopf.
Einer bedient den Kran, und die anderen verschrauben das Bohrgestänge, um mit dem Meißel immer tiefer ins Erdreich gelangen zu können und vielleicht fündig zu werden. Unter der Leitung der beiden erfahrenen Oberbohrmeister Edi Schinagl und Josef Hubert Zaunmayr wird so Stange um Stange zugesetzt, wie es in der Fachsprache heißt. Ungefähr neuneinhalb Meter misst so eine Bohrstange, keine ist gleich lang wie die andere.
Zusätzlich wird das Bohrloch mit steigender Tiefe teleskopförmig kleiner. Aus diesem Grund müssen die einzelnen Stangen sorgfältig durchnummeriert werden. "Das erfolgt heute mihilfe des Computers, aber zusätzlich auch handschriftlich", erzählt Oberbohrmeister Schinagl von der RAG, der österreichischen Rohöl Aufsuchungs AG, "da immer eine Maschine oder ein Programm ausfallen könnte." So könnte man im Fall des Falles noch auf diese Aufzeichnungen zurückgreifen. Denn: "Die richtige Reihenfolge ist enorm wichtig", betont Schinagl. Die RAG besitzt hier in Oberösterreich die Konzession zum Fördern von Kohlenwasserstoffen, also Erdöl und Erdgas.
Fördern auf eigenes Risiko
Der Staat vergibt diese Erlaubnis in Österreich nur an zwei Firmen. Die OMV, früher ÖMV, 1955 aus der sowjetischen Mineralölverwaltung hervorgegangen, arbeitet vor allem in Niederösterreich. Die RAG, 1935 gegründet, hat ihre Förderkonzessionen in erster Linie im oberösterreichisch-salzburgerischen Molassebecken.
Aufgabe dieser beiden Firmen ist es, auf eigene Kosten und eigenes Risiko Lagerstätten zu suchen, zu finden und dann letztendlich das Öl oder Gas auch zu fördern, egal wie niedrig oder hoch die Marktpreise gerade sind. Der landesweite Jahresverbrauch liegt im Moment bei ungefähr zehn Millionen Tonnen Erdöl im Jahr, immerhin eine Million kann aus heimischen Vorkommen gefördert werden. Beim Erdgas schaut es noch besser aus. Der Bedarf beläuft sich hier auf ungefähr sieben Milliarden Kubikmeter pro Jahr, aus den inländischen Reservoiren werden circa eineinhalb Milliarden hochwertiges Gas beigesteuert - auch aus Rosenau.
Dort wird der Bohrvorgang bei ungefähr 900 Metern Tiefe plötzlich gestoppt. Geologe Wolfgang Mitterlehner hat beim ununterbrochen hochgebrachten und kontrollierten Gestein eine Änderung bemerkt. "Jetzt müssen wir Stange um Stange wieder herausholen, neben dem Bohrturm sorgfältig anordnen und einen neuen, der aktuellen Härte entsprechenden Meißel montieren", erklärt Mitterlehner. "Das kann bei über 90 Stangen schon mehrere Stunden dauern." Er hat nun ein wenig Zeit, darüber zu berichten, wie Erdöl- oder Erdgasvorkommen überhaupt gefunden werden.
Die Legende vom Ölsee
Auf der Suche nach den Kohlenwasserstoffen bedient sich die RAG der heute üblichen 3D-Reflexions-Seismik, eines geophysikalischen Messverfahrens. Auf einer fünf Quadratkilometer großen Fläche werden systematisch 17.000 Geophone ausgelegt. Dann befahren Vibratorfahrzeuge, das sind Lkws mit "Rüttelplatten" unten dran, in Linien dieses Feld - ein monatelanger Prozess. Dabei wird eine Unmenge von Daten aufgezeichnet und jede Reflexion beim geringsten Gesteinsschichtwechsel registriert. Am Computer werden die Messergebnisse dann von Geophysikern interpretiert und dreidimensionale Karten des Untergrundes erstellt.
Es gibt keinen Ölsee, keine Gasblase tief unten in der Erde, die man nur anbohren muss, wie oft fälschlich geglaubt wird. Öl und Gas lagern vor allem in nach oben hin abgedichteten Sedimentschichten in einem porösen, durchlässigen Reservoirgestein. Zwischen den Sandkörnern, die miteinander verbunden sind, befinden sich kleine Hohlräume. In denen ist der Kohlenwasserstoff gespeichert und gelangt nach der Bohrung mithilfe hydrostatischen Drucks entweder von selbst an die Oberfläche oder muss mithilfe der sogenannten Pferdeköpfe, der Ölpumpen, gefördert werden.
Zwischen 1000 und 2000 Metern liegt die am häufigsten erreichte Tiefe oder "Teufe", wie der Bergmann sagt. Abteufen heißt Bohren.
"Heraussprudelndes Öl, wie im berühmten Film 'Giganten' mit James Dean, gibt es bei uns nicht. Wenn das passiert, haben wir etwas falsch gemacht, das liegt nicht in unserem Interesse", erklärt Oberbohrmeister Schinagl. Auch des Umweltschutzes wegen. Seit einigen Jahren wird etwa ein "abfallfreies Bohrkonzept" eingesetzt, mit einem speziellen Spülsystem kann die Bohrspülung vollständig wieder verarbeitet werden. Wichtig auch: Sicherheit. So werden auf dem Werksgelände beim Erdgasspeicher Haidach ausschließlich dreirädrige Fahrräder verwendet. Damit kann man nämlich nur schwer umfallen und mit dem Pedal Funken am Asphalt schlagen. (Martin Grabner/DER STANDARD, Printausgabe, 13.8.2008)