Ein Prinzip des Annapolis-Prozesses, den beide Seiten, Israelis und Palästinenser, bisher erstaunlich diszipliniert eingehalten haben, war die Nachrichtensperre: Nur Informationen zur ungefähren Orientierung, aber keine Details drangen nach außen. Wenn jetzt plötzlich ein israelischer „Vorschlag" öffentlich verbreitet wird, dann läuten bei alten Nahost-Beobachtern erst einmal die Alarmglocken: Beginnen die Vorbereitungen für das "blame game", die Schuldzuweisungen nach dem Scheitern?

Was nicht heißen soll, dass der israelische Vorschlag prinzipiell nicht betrachtenswert ist, vor allem, wenn er so gemeint ist: ein Vorschlag als Basis für Verhandlungen. Manches entzieht sich ja der Beurteilung - Ha'aretz berichtet etwa von einer „detaillierten und komplexen Formel zur Lösung des Flüchtlingsproblems", weiß aber konkret nur von der Ablehnung des Rückkehrrechtsprinzips durch Israel. Jerusalem ist einstweilen gänzlich ausgeklammert.

Die Annexionswünsche Israels für das Westjordanland - 7,3 Prozent - liegen hingegen im Erwartbaren. Aber dass der Plan in etwa vorsieht, dass Israel sein Stück sofort legalisiert bekommt, während sich die Palästinenser in der ersten Phase mit der „Einleitung der Gesetzgebung zur Entschädigung von Siedlern" begnügen? Und sollte diese Gesetzgebung gelingen - mit einem anderen Premier und vielleicht einer anderen Regierungspartei in Israel -, dann müssten sich die Palästinenser wieder erst die Umsetzung verdienen, unter anderem durch nichts weniger als die Eliminierung der Hamas. Mit einem Wort: Ein Palästinenserstaat liegt in weiter Ferne, und es ist Zeit, es zuzugeben. Weder Israel noch die Palästinenser sind zur Zeit paktfähig. (Gudrun Harrer/DER STANDARD Printausgabe, 13. August 2008)