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Das an landwirtschaftlichen Produkten reiche Land versucht, seine Ausfuhren von Russland weg in neue Richtungen zu lenken.

Foto: Reuters

Wien - "Georgien schnitt bisher besser ab als alle anderen Kaukasus-Staaten", sagt Thorsten Nestmann, Länderrisiko-Analyst bei der Deutschen Bank. Das Land konnte in den letzten Jahren sehr hohe Direktinvestitionen anziehen und kann daher auch ein starkes Wirtschaftswachstum vorweisen, das sich zwischen acht und zehn Prozent, im letzten Jahr sogar bei zwölf Prozent bewegte.

Durch die Kampfhandlungen kamen aber die Risiken wieder stärker in den Fokus. Dazu zählt das relativ hohe Leistungsbilanzdefizit, das bei rund 15 Prozent des BIP liegt. "Da ist jetzt die große Sorge, dass dieses Defizit nicht mehr so gut finanziert werden kann, wenn der Zufluss an Direktinvestitionen stockt", erklärt Nestmann.

Außerdem zeigt sich, dass Georgien als logisches Transitland für Energie schnell den Zorn Russlands auf sich zieht: Die durch die ehemalige Sowjetrepublik verlaufenden Pipelines sind die einzigen, die Energie aus den erdöl- und erdgasreichen Ländern rund um das Kaspische Meer nach Westen transportieren können - und dabei nicht durch Russland verlaufen. Die wichtigsten Pipelines sind die Transkaukasus-Pipeline Baku-Tiflis-Ceyhan (BTC), an der der Ölkonzern BP sowie die staatliche aserbaidschanische Ölgesellschaft Socar beteiligt ist. Gleich neben der BTC verläuft eine Gasleitung, die von BP und der norwegischen StatoilHydro betrieben wird.

Transitrouten

Die hohen Auslandsinvestitionen Georgiens der letzten Jahre sind zu einem Gutteil auf Investitionen der erst 2005 (Erdöl) bzw. im Vorjahr (Erdgas) gebauten Transitrouten zurückzuführen. Doch auch in anderen Wirtschaftsbereichen zeigt sich die Verwundbarkeit Georgiens als Mitglied der GUS (Gemeinschaft Unabhängiger Staaten): Russland, das neben der Türkei, der Ukraine und Aserbaidschan zu den wichtigsten Handelspartnern gehört, hat in den letzten Jahren schon einige Male den Import georgischer landwirtschaftlicher Produkte gestoppt, und zwar immer dann, wenn dem großen Nachbar das Abdriften Georgiens Richtung Westen sauer aufstieß. Wichtig für alle GUS-Staaten (neben Russland u.a. Aserbaidschan, Kasachstan, Armenien, Georgien und die Ukraine) ist Russland außerdem als Aufnahmestaat von Gastarbeitern, deren Rücküberweisungen sich positiv auf die Finanzen der GUS-Mitglieder auswirken.

Österreichische Firmen, die sich ansonsten gerne als Speerspitze bei der Entwicklung neuer Märkte in Osteuropa und Asien verstehen, haben sich bei Georgien bisher zurückgehalten. "Für uns war die politische Instabilität ausschlaggebend" , erklärt Lars D. Hofer, Kommunikations-Chef bei Raiffeisen International, warum die RI nicht in Georgien ist. "Bei den sehr unterschiedlichen Interessenslagen sind Entwicklungen schwer prognostizierbar. Und wir brauchen in erster Linie Planungssicherheit."
Auch andere Firmen haben die unzähligen ungelösten politischen Konflikte in der Kaukasus-Region bis dato abgeschreckt, weshalb die österreichische Außenhandelsstelle in Moskau, die Georgien quasi mitbetreut, auf eine nur geringe Handelsverflechtung mit Österreich verweist.

Reger Wurstexport

Einer, den es bevorzugt zu ungewöhnlichen Märkten (etwa auch Kasachstan) zieht, ist der steirische Fleischspezialist Karl Schirnhofer. Dieser beliefert Georgien schon seit einigen Jahren mit Würsten, und zwar 300 Tonnen im Monat, wie Marketingmann Franz Kneißl erzählt: "Wir haben dort einen Marktanteil bei Würsten von 65 Prozent." Bei der Hauptstadt Tiflis gebe es ein Auslieferungslager; ein erster Supermarkt wurde mit Partner Tengiz Apkhaidze kürzlich eröffnet. Derzeit sei man auf Suche nach neuen Standorten, erklärt Kneißl. "Unsere Geschäfte sind bis dato nicht betroffen."(Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Printausgabe, 13.8.2008)