Berthold Thoma ist seit September 2002 CEO von Hutchison 3G Austria und Präsident des Verbands Alternativer Telekom-Netzbetreiber (VAT).

STANDARD: Warum muss man Sie eigentlich bei jedem Interview fragen, wie lang sich Hutchison noch eine Mobilfunksparte leisten wird?

Thoma: Solange Hutchison der festen Überzeugung ist, dass die dritte Generation die Zukunft des Mobilfunks ist, so lange ist auch der Zeithorizont nicht infrage gestellt. Sollte es irgendwann einmal jemanden geben, der einen entsprechend hohen Preis für diese Branche zahlt, ist immer die Option da, dass man verkauft. Das zeigt die Vergangenheit ...

STANDARD: Welche Vergangenheit?

Thoma: ... wie in Indien, da hat man die zweite Generation des Mobilfunks verkauft, als ein angemessener Preis geboten wurde. Ich sehe weltweit durchaus Zeichen weiterer Konsolidierung, wie zum Beispiel France Télécom und TeliaSonera. Sollte es zur nächsten Konsolidierungswelle kommen und auch die Preise wieder steigen - dann wird man sehen, was passiert.

STANDARD: Wie viele Kunden haben Sie, wie viel Umsatz machen Sie?

Thoma: Wir geben konzernweit nächste Woche unsere Zahlen bekannt, aber ich kann Ihnen sagen, dass es 575.000 Kunden sind.

STANDARD: Und vor einem Jahr?

Thoma: Etwa 120.000 weniger.

STANDARD: Wie hat sich "3" durch die Übernahme von Teilen der Telering-Infrastruktur entwickelt? Brauchen Sie A1 weiter als Roamingpartner?

Thoma: Wir haben heute das mit Abstand größte UMTS/HSDPA-Netz Österreichs, wir erreichen 94 Prozent der Bevölkerung, und bauen immer noch aus. Wenn man das mit den Angaben der Homepages der Mitbewerber vergleicht: Selbst gegenüber A1 sind das zehn Prozent Vorsprung. Trotzdem gibt es bis zu den 98,5 Prozent der Bevölkerung, die A1 mit GSM erreicht, noch ein Stück von fast fünf Prozent. Das lässt sich nicht wirtschaftlich abdecken, darum werden wir mittelfristig für diese extremst ländlichen Regionen weiterhin National Roaming nutzen, um den Basisdienst Telefonie auch im letzten Bergtal zur Verfügung zu haben.

STANDARD: Ihre Konkurrenten beschweren sich darüber, dass Sie für Anrufe, die in Ihrem Netz eingehen, mehr Geld bekommen, als Sie umgekehrt zahlen. Warum brauchen Sie das nach fünf Jahren noch immer, Mitleid mit dem Kleinsten?

Thoma: Die sich da beschweren, bei denen hängt die Platte, weil sie nicht mitverfolgt haben, was Hutchison seit zwei Jahren fordert: Das Terminierungsentgelt muss komplett weg, also null Cent. Umgekehrt haben die, die jetzt jammern, vorher sieben bis elf Jahre ein wesentlich höheres Terminierungsentgelt bekommen.

Wir sind dafür, dass die Terminierungsentgelte komplett verschwinden, weil sie den Wettbewerb massiv verzerren. Denn wir zahlen wesentlich mehr, als die tatsächlichen Kosten sind. Das kostet uns 30 bis 40 Millionen im Jahr, ein fetter Reibach für die anderen.

STANDARD: Der Wettkampf spielt sich derzeit besonders intensiv bei mobilem Internet ab. Ist das noch ein Geschäft, oder verbuttern Sie hier ungenutzte Kapazität?

Thoma: Sowohl als auch. Noch ist es ein Geschäft, solange wir nicht Preise erreichen, die bei Zehntelcents pro Megabyte liegen. Besonders im ländlichen Raum ist die UMTS/HSDPA-Technologie der kosteneffizienteste Weg, Breitband zur Verfügung zu stellen. Nichtsdestotrotz ist auch das Zweite richtig: Wir haben vier Infrastrukturen in Österreich, wenn ich diese Kapazitäten nicht befülle, ist es immer noch teurer, als wenn ich sie mit günstigen Preisen befülle.

STANDARD: Wie viele mobile Internetanschlüsse verkaufen Sie derzeit?

Thoma: Seit Monaten sind wir bei Neuanschlüssen im Privatkundengeschäft die Nummer eins. In normalen Monaten sind das um die 7000, zu Ostern und Weihnachten wesentlich mehr; und der neue Tarif mit neun Euro für drei Gigabyte wird das erhöhen. Insgesamt gibt es monatlich 35.000 bis 40.000 neue Anschlüsse, und in manchen Monaten machen einzelne Betreiber, auch wir, mehr Anschlüsse als eine Telekom Austria im ganzen Quartal.

Das ist ein ganz klares Zeichen, dass Mobilität und Bequemlichkeit ein wesentlich stärkeres Argument bilden als das angeblich echte Internet. Die Evolutionsstufen sind im Mobilnetz wesentlich schneller als im Festnetz. Mit Breitband wird das Gleiche passieren wie bei der Sprache: Das Massenbusiness wird über das Mobilnetz abgewickelt werden.

STANDARD: Die Kundenloyalität ist wesentlich geringer als beim Handy, es gibt nicht einmal eine Telefonnummer. Wird da nicht derjenige mit der größten Masse und den niedrigsten Kosten langfristig das gesamte Geschäft machen?

Thoma: Das reine Verkaufen einer Datapipe würde dazu führen, dass ich langfristig nur noch einprozentige Margen machen würde. Darum haben wir von Tag eins an angefangen, den Kunden zusätzlichen Service anzubieten, zum Beispiel unser mobiles TV. Als "3"-Kunde können Sie fernsehen am Laptop, zusätzlich zu Ihrem Datenvolumen.

STANDARD: Aber am Laptop habe ich ja ohnehin DVB-T?

Thoma: Aber da haben Sie ja nur vier Kanäle.

STANDARD: Braucht man mehr?

Thoma: Also wer guckt denn noch ORF? Die ZiB vielleicht und Olympia. Wir werden zu unseren Kanälen demnächst auch PayTV anbieten.

STANDARD: Wie viele Ihrer Kunden nutzen überhaupt mobiles TV?

Thoma: Rund 50.000, etwa zehn Prozent.

STANDARD: Wie groß ist der Datenanteil an Ihrem Umsatz?

Thoma: Beim Umsatz sind Daten relativ moderat, rund 30 Prozent. Aber beim Verkehr im Netz sind es bereits mehr als 90 Prozent.

STANDARD: Wie lange wird es SMS noch zu Apothekerpreisen geben?

Thoma: (lacht) Preis bildet sich aus Angebot und Nachfrage, und offenbar sind die heutigen Preise von fünf bis zehn Cent das, was der Kunde bereit ist zu bezahlen. Für Leute mit extrem hohen Stückzahlen bietet jeder Betreiber auch Pakete an, da kostet eine SMS dann etwa einen Cent.

STANDARD: Nach Datenmenge umgerechnet, ist es das Hundert- oder Tausendfache des Datentarifs.

Thoma: So kann man es nicht umrechnen, die SMS wird über den Signalisierungskanal verschickt, der hat weniger Kapazität und kostet mehr.

STANDARD: Das ist doch dem, der 160 Zeichen wegschickt, wurscht.

Thoma: Darum glaube ich, dass mobile E-Mail sich durchsetzen wird.

STANDARD: Hutchison bietet nur in Hongkong das iPhone an. Traurig?

Thoma: Jein. Auf der einen Seite gibt es den iPhone-Hype von appleaffinen Benutzern, die einen iPod und einen Mac haben, dieses Kundensegment möchte man sich nicht entgehen lassen. Darum wollen wir das iPhone auch unseren Kunden anbieten können. Wir haben es getestet, es geht gut im Netz. Ein Defizit des iPhones ist, dass Apple den Netzbetreibern keine Möglichkeit gegeben hat, es auf ihre Netze abzustimmen und zu optimieren. Das führt dazu, dass Batteriestandzeit, Handover und Ähnliches wie bei UMTS-Geräten vor vier, fünf Jahren war. Die Nutzer müssen schon eine gewisse Toleranz haben.

Aber ich bin nicht traurig darüber, in der ersten Welle nicht dabei zu sein. Viele dieser Probleme haben wir in der Vergangenheit schon durchlebt, die muss ich nicht noch einmal erleben - zum Beispiel dass eine Batterie nicht einmal einen Tag lang hält, das haben wir eigentlich schon lange hinter uns. Und das liegt nicht nur am Gerät, das liegt an der Zusammenarbeit zwischen Gerät und Netz. (Das Gespräch führte Helmut Spudich, DER STANDARD Printausgabe, 13 August 2008)