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Der deutsche Finanzminister Franz Eichel einsam vor dem "Wahlbetrug"-Ausschuss des Bundestages.

Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch

Sichtlich angespannt und noch blasser als sonst trat der deutsche Finanzminister Hans Eichel am Donnerstag vor dem so genannten Lügenausschuss des Bundestages auf. Mit bebender Stimme wies er Vorwürfe zurück, er habe die Öffentlichkeit vor der Bundestagswahl im September über das wahre Ausmaß der Staatsfinanzen bewusst falsch informiert. "Die Bundesregierung ist ihrer Pflicht zur Veröffentlichung immer nachgekommen. Sie hat nichts verheimlicht." Er hätte sich "in einem Jahr ohne Bundestagswahlkampf genauso verhalten" und stehe "zu allen politischen Entscheidungen".

Eichel erklärte, er sei bis Oktober 2002 davon ausgegangen, dass sowohl die Steuereinnahmen als auch das Staatsdefizit im Rahmen der früheren Erwartungen bleiben könnten. Die massiv unter den Annahmen gebliebenen Einnahmen im Steuermonat September hätten einen Strich durch die Rechnung gemacht. "Das hat keiner so erwartet", beteuerte der SPD-Politiker.

Zu einem von Medien aufgedeckten Vermerk vom 17. Juli 2002 aus seinem Ministerium mit dem Hinweis, dass die Steuereinnahmen unter Plan wären und die Neuverschuldung deutlich über der Maastricht-Obergrenze von drei Prozent liege, sagte Eichel, diese Warnungen seien verworfen worden. "Der Staatssekretär hat gesagt, dass nach seiner Erfahrung das nicht eintreten wird."

Gemeint ist der erfahrene Staatssekretär Manfred Overhaus, der schon unter Theo Waigel (CSU) gearbeitet hat. Overhaus hatte in der Vorwoche vor dem Ausschuss eingeräumt, dass es im Sommer Hinweise auf ein Verfehlen der Maastricht-Kriterien gegeben habe. Allerdings habe er selbst Eichel zum Abwarten geraten, so Overhaus. Wirtschaftswissenschafter, die zuvor als Zeugen gehört worden waren, hatten übereinstimmend erklärt, dass die schlechte ökonomische Entwicklung nicht absehbar gewesen sei.

Ausschussvorsitzender Klaus-Uwe Benneter (SPD) verwies nach dem Auftritt des wichtigsten Zeugen vor dem Gremium darauf, dass die Frage, ob der Minister die Öffentlichkeit bewusst belogen habe, eindeutig mit Nein beantwortet werden müsse.

Der CDU-Obmann im Ausschuss, Peter Altmaier, kam dagegen zu dem Schluss, dass "der Minister die Öffentlichkeit vorsätzlich falsch informiert hat". Dies sei "ein ganz klarer Verstoß gegen seinen Amtseid". Die Opposition forderte deshalb den Rücktritt des Finanzministers.(DER STANDARD, Printausgabe, 21.2.2003)