Feldkirch - Zu einem leidenschaftlichen Diskurs über die Verflechtung von Medizin und Geschäft entwickelte sich ein Ehrenbeleidigungsprozess am Landesgericht Feldkirch. Kläger war der Chirurg Manfred Rützler, für den ästhetische Medizin "ein Geschäft wie jedes andere" ist. Angeklagt war der Psychiater Albert Lingg, Chefarzt am Landeskrankenhaus Rankweil, "der es mir, dem Ärztestand und den Patienten schuldig war" mit einem kritischen Leserbrief auf Rützler-Aussagen in der Neuen Vorarlberger Tageszeitung zu reagieren.

Die Vorgeschichte: Rützler hatte im Vorjahr bei der 17-jährigen Miss Vorarlberg 2002 eine Fettabsaugung vor laufenden Kameras durchgeführt. Gerüchte über Essstörungen der jungen Frau wurden laut, die "Neue" recherchierte. Rützler rechtfertigte den Eingriff im Zeitungsinterview damit, dass die psychische Erkrankung Jahre zurückliege und das Mädchen durch die Entfernung der "Fettpölsterchen" keinen Anlass mehr hatte, "wieder die Nahrungsaufnahme zu verweigern".

Lingg empfand die Aussage als "Provokation". Ein "Kunstfehler" sei Rützlers Aussage, schrieb der Psychiater.

"Kunstfehler" nicht im technischen, sondern im übertragenen Sinn, habe Lingg gemeint, entschied Richter Norbert Melter am vergangenen Dienstag. Lingg wurde freigesprochen, Rützler geht in die Berufung. Offene Fragen über mögliche Machenschaften in der Verschönerungsmedizin können in der nächsten Instanz diskutiert werden.

Unbeantwortet blieb in Feldkirch, ob die Operation eine PR-Aktion für ein neues medizinisches Gerät war, wie stark die geschäftlichen Beziehungen zwischen Chirurg und Misswahl-Veranstalter sind und was der Rützler-Verein "Berufsvereinigung für ästhetische Medizin" tatsächlich tut. (jub, DER STANDARD Prinbtausgabe 20.2.2003)