Auch Österreicher können zu Fremden werden, weiß man beim Bewährungshilfeverein Neustart. Und damit vor Probleme gestellt sein, die sonst ausländische Straftäter betreffen, wie Susanne Artner-Aigner, Leiterin der Neustart-Filiale in Wien-Mariahilf erzählt.

An einen Fall erinnert sie sich: Ein Österreicher desertierte aus der Fremdenlegion und wurde, wieder zu Hause, straffällig. "Durch den Dienst in einer fremden Armee hatte er aber die Staatsbürgerschaft verloren. Das Gericht erteilte die Auflage zur Bewährungshilfe, die Fremdenpolizei verhängte jedoch ein Aufenthaltsverbot." Da der Mann staatenlos war, konnte er in kein Land emigrieren - schlussendlich tauchte er unter. Ein Schicksal, dass bei Fremden, die kein Herkunftsland angeben, ebenso üblich ist. Das Problem: Als "U-Boot" hat man praktisch keine Möglichkeit, legal zu Geld zu kommen.

Günstige Gerichts-Prognose

Dass Gerichte eine günstige Prognose abgeben und Chancen für die Resozialisierung sehen, während die Fremdenbehörden Abschiebungen und Aufenthaltsverbote verhängen, ist häufig der Fall. Was die Bewährungshilfe natürlich ad absurdum führt - langfristige Betreuung wird erst gar nicht versucht. "Dazu kommen rechtliche Rahmenbedingungen, wie fehlende Arbeitsgenehmigungen. Selbst wenn die Betroffenen arbeiten wollen, können sie nicht", führt Artner-Aigner aus. Obwohl sie andererseits durch die Arbeitsleistung im Gefängnis Anspruch auf Arbeitslosengeld haben.

Bei straffälligen Asylwerbern und kurzfristig eingereisten Fremden herrscht ziemliche Einigkeit bei allen Parteien: konsequentes Durchgreifen und rasch außer Landes bringen. Eine andere rechtliche Möglichkeit irritiert die Mitarbeiter bei Neustart aber: wenn hier geborene und aufgewachsene Fremde trotz Hoffnung auf Resozialisierung abgeschoben werden. "Bei einer Strafe von mehr als zwei Jahren unbedingt kommt es auch bei jungen Erwachsenen zu diesen Maßnahmen", meint die Expertin.

In anderen Bereichen haben fremde Straftäter im Vergleich zu österreichischen Haftentlassenen aber auch bessere Bedingungen. Die bei heimischen Tätern häufige Problematik der Obdachlosigkeit nach der Entlassung, verbunden mit Suchterkrankungen, ist bei Fremden dagegen weniger ausgeprägt.

"Intakter Familienverband"

"Bei diesen Gruppen gibt es häufiger einen intakten Familienverband, der Unterstützung bietet. Es muss schon ein schwerwiegendes Delikt innerhalb der Familie passiert sein, dass jemand aus dieser ausgeschlossen wird." Der Druck der Familie, sich nach der "Schande" der Verurteilung zu bewähren, kann aber auch zu groß werden. Und die Delinquenten zum Bruch mit den Verwandten treiben.

Drogenabhängigkeit sei seltener. Speziell bei Türken ist sie allerdings ein starkes Tabu, das teils verschwiegen wird, was adäquate Betreuung erschwert. Diese kann auch an anderen Dingen scheitern: "Aufgrund von Sprachproblemen müssen wir manchmal dem Gericht melden, dass eine Betreuung nicht möglich ist", sagt Artner- Aigner. (Michael Möseneder/DER STANDARD-Printausgabe, 12.8.2008)