Der Fund der Grabstätte zweier Säuglinge am Wachtberg 2005 war eine Sensation. Wissenschafter fürchten, nicht weiterforschen zu können.

Foto: ÖAW

Krems - Eine Sensation war der Fund der rund 27.000 Jahre alten Zwillingsbabyskelette am Kremser Wachtberg vor knapp drei Jahren. Seither gruben Forscher weiter, fanden weitere Kinderknochen und eine ehemalige Feuerstelle. In etwa die Hälfte einer vermuteten ehemaligen Wohnstätte sei nun erforscht. Die weitere Hälfte liege noch verborgen. Und dabei könnte es auch bleiben, fürchten die Forscher.

Laut Christine Neugebauer-Maresch von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sei der Grundeigentümer derzeit nämlich nicht mehr gesprächsbereit. Man habe an einer Lösung gearbeitet, die den geplanten Hausbau und die achäologischen Grabungen unter einem Dach ermöglicht hätte. "Wir hätten quasi in einem zweiten Geschoß unter dem Keller weitergeforscht, da die Funde so tief liegen", sagt Neugebauer-Maresch.

Grundeigentümer will Hausbau beginnen

In einem offenen Brief haben Wissenschafter jetzt Bundespräsident Heinz Fischer, das Wissenschafts- und das Bildungsministerium sowie Landeshauptmann Erwin Pröll um Hilfe gebeten, da sie ihre Ausgrabungspläne gefährdet sehen. Der Grundeigentümer, der telefonisch für den STANDARD nicht erreichbar war, sei nicht mehr kooperationsbereit und wolle im September mit dem Hausbau anfangen.

"Die Funde liegen so weit unter der Oberfläche, dass der Denkmalschutz nicht greift", sagt Neugebauer-Maresch. Pröll erklärte am Rande einer Veranstaltung in Willendorf, die archäologische Sensationsfundstelle der Zwillingsgräber am Wachtberg "soll erhalten bleiben".

Prinzipiell hat das Denkmalamt die Oberhand, die Behörde kann entscheiden, ob gebaut, gegraben oder beides möglich sein wird. Archäologische Grabungen bei laufender Baustelle seien keine Seltenheit, erläutert die Wiener Stadtarchäologin Karin Fischer-Ausserer auf Anfrage des STANDARD. In derartigen Fällen handle es sich immer um sogenannte Notgrabungen oder Rettungsgrabungen. "Von Rettungsgrabungen spricht man dann, wenn in der Baggerschaufel schon Funde wie Keramik oder Knochen gelandet sind", so Fischer-Ausserer.

Forschungsgrabungen, Traum aller Archäologen

Notgrabungen werden durchgeführt, wenn ziemlich sicher ist, dass in einem Baugebiet alte Schätze schlummern. "Forschungsgrabungen hingegen sind der Traum aller Archäologen, hier können Forscher ohne Stress im unverbauten Gebiet mit einem bestimmten Forschungsauftrag ihrer Tätigkeit nachgehen", schwärmt die Stadtarchäologin.

In Wien werden die Forscher immer schon vor dem Start eines Bauvorhabens informiert. Eine gemeinsame Planung kommt Bauträgern billiger, denn wenn etwas ausgebuddelt wird, verhängt die Behörde sofort einen zumindest begrenzten Baustopp - und stehende Bagger kosten viel Geld. (Michael Simoner und Gudrun Springer/DER STANDARD, Printausgabe, 12.8.2008)