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Die 24 Blaskapellen, die um die "Goldene Trompete" kämpften, lockten rund eine halbe Million Besucher nach Guča.

Foto: AP/Srdjan Ilic

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"Mein Mann hat geweint, als wir von Karadžićs Verhaftung erfahren haben", schildert Irene die Gefühle, nachdem der politische Führer der Republik Srpska in Belgrad festgenommen wurde.

Die Berlinerin ist mit ihrem serbischen Mann nicht immer einer Meinung, und wenn es um Politik geht, fehlt ihr oft das Verständnis. "Als der Kosovo sich für unabhängig erklärte, hätte er am liebsten eigenhändig den Krieg begonnen", erzählt Irene. In Deutschland - das Ehepaar lebt in Berlin - stelle er seine politischen Ansichten nicht zur Schau. Hier in der serbischen Ortschaft Guča ist das anders. Seit Jahren besucht das Ehepaar bereits das größte Blasmusikfestival Serbiens.

Von vergangenem Donnerstag bis Sonntag versammelten sich zum bereits 48. Mal serbische Blaskapellen im rund 160 Kilometer südlich von Belgrad gelegenen Guča. Insgesamt 24 Blaskapellen wanderten musizierend durch die Straßen und wetteiferten um die begehrte Auszeichnung des Festivals, die "goldene Trompete".

Für ein paar hundert Dinar - üblicherweise werden sie in die Tuba gesteckt - versammelt sich die gesamte Kapelle um den Auftraggeber und spielt so laut wie möglich. Greifen die Musiker zu ihren Instrumenten, dann wird getanzt. Wobei anzumerken ist, dass hier im Grunde durchgehend und überall gespielt wird: auf den Straßen, in Vorgärten und in den unzähligen Bars.

Irene und ihr Mann haben sich mittlerweile selbst als Programmpunkt in Guča etabliert. Mit serbischen Kappen und rot-blau-weißen Häkelpullovern skaten sie jedes Jahr gemeinsam mit ihrer Enkeltochter stundenlang durch das 3000-Einwohner-Dorf und wurden so zu einem beliebten Motiv serbischer Boulevard-Pressefotografen. Voller Stolz zeigen sie uns ihr Bild in der Tageszeitung Blic.

Hier in der serbischen Region Dragacevo steht der Auslandsserbe mit seinem starken Patriotismus nicht alleine. Jeder dritte Souvenierhändler in Guča verkauft T-Shirts mit den Konterfeis von Karadžić und Ratko Mladić, und je länger das Festival dauert, umso mehr breiten sich Slogans wie "Karadžić 100 Prozent Serbe" oder "Serbian Hero" aus. Abends schwenken Jugendliche auf und neben der Trompeterstatue am Hauptplatz begeistert serbische Flaggen und verschaffen sich mit ihren Sprechchören Gehör.

"Europa kommt zu uns"

Diese politischen Sympathiekundgebungen bestimmen jedoch nicht das gesamte Festival. Im Vordergrund stehen trotz allem die Kapellen, Gastfreundlichkeit und die Freude am Feiern. "Der Westen hat ein falsches Bild von Serbien. Karadžić war ein Verbrecher, der sich selbst bereichern wollte, und nicht jeder Serbe steht hinter ihm" , erzählt Goran, der an der serbischen Grenze in der Nähe von Srebrenica aufgewachsen ist.

Für den jungen Serben war die späte Verhaftung ein strategisches Manöver der Regierung, "es passt gerade ins Konzept", sagt Goran in Anspielung auf den proeuropäischen Kurs der amtierenden Regierung in Belgrad. Er selbst sei patriotisch, aber trotzdem pro-westlich eingestellt. Diese Meinung teilen auch andere, doch danach muss man fragen, denn für die meisten steht während dieser fünf Tage doch die Blasmuskik und nicht die Politik im Vordergrund.

Auch Dejan, der junge Regionalpolitiker der Demokratischen Partei (DS), der auch der serbische Präsident Boris Tadić angehört, spricht nicht viel von Politik, sondern erklärt lediglich die Aufschrift eines T-Shirts mit dem Logo der EU. "Wir gehen nicht nach Europa, Europa kommt zu uns",  sei eine Anspielung auf Guča, aber auch auf die politische Situation Serbiens, sagt Dejan.

"Serbien ist einfach zu stolz, um sich anderen anzuschließen. Wir waren immer alleine. Die Jugend sieht aber sehr wohl die Vorteile der EU" , sagt er. In Bezug auf das Festival trifft der Slogan von Europa, das nach Serbien kommt, sogar irgendwie zu: Von den 500.000 Besuchern heuer in Guča kamen immerhin 50.000 aus dem Ausland. (Corina Staniek, Wolfgang Drucker aus Guča/DER STANDARD, Printausgabe, 12.8.2008)