Superamas mit "Empire (Art & Politics)".

Foto: ImPulsTanz

Wien - Wenn das ImPulsTanz-Festival diese Woche mit einer Trilogie und einer Installation des österreichischen Choreografen Chris Haring zu Ende geht, dann tut es das mit einer durchaus positiven künstlerischen Bilanz. Mehr fünf Wochen lang konnte sich das Wiener Publikum ein Bild davon machen, wie sich die zeitgenössische Choreografie heute positioniert.

Haring und seine Gruppe liquid loft zeigen noch bis heute in der Halle E des Museumsquartiers alle drei Teile ihres Posing Project. Der dritte Part ("The Art of Garfunkel" ) wird dabei als Uraufführung präsentiert. Hier sind die fünf beteiligten Tänzer nicht mehr live zu sehen, sondern in Form von medialen Stelen aus je drei Monitoren, die aus den Körpern der Darsteller Anagramme formulieren: Köpfe, Torsi und Beine erscheinen in immer neuen Kombinationen.

Was im ersten Teil mit Paraphrasen auf Taktiken von Selbstinszenierung und Imponiergehabe ("The Art of Wow" ) beginnt und zu den Klischees von Verführung und Erotik ("The Art of Seduction" ) überleitet, hat bei liquid loft nachhaltige Konsequenzen. Das Trauma, beständig eine "gute Performance" liefern zu müssen, lässt den Menschen in seiner Inszenierung verschwinden. Mit treffsicherer Ironie zeigt liquid loft die Farce des Pseudo-Individualismus auf, die in der Gesellschaft des Spektakels forciert wird.

Die Konsequenzen daraus sind weniger bei Haring als vielmehr in Dalija Acins Stück Handle with great care zu sehen, das im Rahmen von [8:tension] zu sehen war. Die Belgrader Choreografin zeigt, über Harings Posing Project gelesen, die Schattenseiten der spektakulären Existenz: anonymisierte Körper, die sich wie schwarzer Schimmel auf einem Doppelbett ausbreiten. Handle with great care wurde von der Jury des ImPulsTanz-Journalistenprojekts "Critical Endeavour" mit dem von Ö1 gestifteten Hauptpreis (10.000 Euro) ausgezeichnet.

Den von Erwin Wurm gestalteten symbolischen Hauptpreis in Form einer Salatgurke erhielt der Franzose Olivier Dubois für sein Solo Pour tout l'or du monde, in dem dieser sich über die "Starmania" -Mode mokiert. Das Design der Trophäe kann als Kritik an jenen Aspekten des Preisverleihens verstanden werden, die auf Publicity gerichtet sind.

Insgesamt war bei ImPulsTanz heuer zu erkennen, dass sich die ohnehin raren Produzenten von Stücken, die in großen Häusern gezeigt werden können, mit den Kunstdiskursen der Gegenwart schwertun. Akram Khan etwa verwurstete das Migrationsthema als Klischeemaschine, und das Porcelain Project der Needcompany blieb bloß blindes Gehampel.

Dass es auf der großen Bühne auch anders geht, zeigten neben Chris Haring auch das französisch-österreichische Kollektiv Superamas mit Empire (Art & Politics) und Mathilde Monnier mit La Ribot in gustavia. Weitere künstlerische Höhepunkte lieferten Alice Chauchat und Jennifer Lacey mit "Les Assistantes". Auch das Format [8:tension] erwies sich als treffend kuratiert. Die meisten Nachwuchsarbeiten, darunter jene der Österreicherinnen Doris Uhlich und Amanda Piña, brachten auf den Punkt, worum es im zeitgenössischen Tanz geht. Sie lieferten Kritik ohne erhobenen Zeigefinger.

Das Festival funktionierte in seinem 25. Jahr ausgezeichnet als Katalysator des Gegenwartstanzes. Im Vergleich dazu arbeitet die andere unverzichtbare Struktur, das Tanzquartier Wien, als Zukunftsgenerator der zeitgenössischen Choreografie. (Helmut Ploebst, DER STANDARD/Printausgabe, 12.08.2008)