Foto: Young Love Records

Quitzow: "Art College" (Young Love Records 2008)

Coverfoto: Young Love Records

Dass Cello und Rock zusammen ausgewildert werden können, ist seit dem Erfolg von Finnlands Apocalyptica bekannt und hitparadentauglich. Nicht minder energisch sägt Erica Quitzow - ihres Zeichens klassisch ausgebildete Musiklehrerin und Mitglied nicht nur diverser Bands, sondern auch von Kammerorchestern - am Cello: Gleich im überaus famosen Eröffnungsstück "Sponsor (it didn't mean a thing)", das für das zweite Album der New Yorkerin den Ton angibt. Streichinstrumente und analoge Synthesizer wechseln einander ab oder marschieren - wie im späteren, nicht minder krachigen "Stay away from John" - im Gleichschritt: Electropunk mit erweiterten Mitteln.

Quitzow ist eine hingebungsvolle Multi-Instrumentalistin mit den zwei genannten Schwerpunkten: Moog, Korg und Casio auf der einen - und jedes Saiteninstrument, das nicht bei drei auf den Bäumen ist, auf der anderen: Geigen, Bass, Cello und natürlich auch die Gitarre. Live braucht es dazu einige Unterstüzung: zu erleben Ende November bei einigen Deutschland-Auftritten und Anfang Dezember in der Schweiz; Österreich-Termine sind keine bekannt.

"Art College" vom gleichnamigen Album: Leider nicht das beste Stück, doch bislang das einzige mit Video (für bessere Anspieltipps siehe den Link am Artikelende).

Vergleiche mit Le Tigre oder Peaches drängen sich auf, auch wenn Quitzow sich eher von - ausgerechnet - den Beatles beeinflusst fühlt. De facto liegen die Stücke irgendwo auf halbem Weg zwischen der harschen Elektronik von The Knife und dem blütenweißen, durch und durch poppigen R'n'B von The Blow: man nehme etwa das wunderbar fiepsige "Peanut" über den chaotischen Entstehungsprozess hausgemachter Musik. "Stay away from John" - he's a pimp -  geht in tiefere Frequenzbereiche hinab. Wobei Quitzow es sich nicht nehmen lässt, in ihr Warnlied Polizeisirenen als melodisches Motiv einzubauen.

Überhaupt nutzt sie die Chamäleon-Möglichkeiten der Elektronik in so vielfältiger Weise, wie man sie noch von alten Moog-Skurrilitätensammlungen aus den 70ern kennt: Als Travestie des Organischen schnurrt und maunzt es in "Cats R People 2". Zugegeben - das könnte der Themensong für eine PETA-Weihnachtsfeier mit veganem Buffet sein. Abgehobene Elfenbeinturmthemen sind Quitzows Sache jedoch nicht (der Album-Titel verweist ja wie gesagt auch eher auf persönliche Lebensumstände als auf kopfgeborene Musik), und das Gewaltpotenzial ist relativ hoch: "Slept in my car" - mit Küchenmesser in der Hand im Auto übernachtet und von den Blinklichtern eines Streifenwagens aufgeweckt. Zweierbeziehungen sind hier nicht unbedingt die Paradestraße ins Glück. Don't go for love, it's treacherous height, you're just risking your life - die Liebe mit einer Naturkatastrophe zu assoziieren wie im schmerzgeladenen "Love" ist noch nicht einmal den notorischen Antiliebesliedschreiberinnen von Britta eingefallen.

And there's music, chaos and beer - it's a good thing the floor is so near

Was da in Erica Quitzows Wohnstudio zusammengebraut wird, ist intelligent, poppig und tanztauglich in einem. Randnotiz für Katalogisierungsfanatiker mit Jungfrau-Aszendent: im CD-Regal steht sie direkt neben Punk-Orgler Quintron (mit geringer alfabetischer Wahrscheinlichkeit, dass sich da noch was dazwischen schiebt): passender geht's gar nicht. Großartige Platte! (Josefson)