Johannes Hahn, Wissenschaftsminister

Foto: STANDARD/Hendrich

Welche das war, sagte er Lisa Nimmervoll.

*****

STANDARD: Fangen wir an mit der Rubrik "Aus halben Sätzen ganze machen": Wissenschaftsminister in dieser rot-schwarzen Regierung zu sein, ist ...

Hahn: ... eine spannende Herausforderung gewesen.


STANDARD: Lieber als Wissenschaftsminister wäre ich ...
Hahn: ... im Zweifelsfall Privatier.

STANDARD: Wenn ich Bundeskanzler wäre, würde ich ...

Hahn: Ich will nicht Bundeskanzler sein.

STANDARD: Warum nicht?

Hahn: Weil ich glücklich bin mit dem, was ich mache, und mir einen Rest an Lebensqualität bewahren möchte.

STANDARD: Welchen Berufswunsch hatten Sie denn im Sandkasten?

Hahn: Ich habe selten im Sandkasten gespielt, weil mich der Sand gestört hat. Ich bevorzuge bis heute Steinstrände statt Sandstrände.

STANDARD: Was fällt Ihnen zu den Spitzenkandidaten zur Wahl ein?

Hahn: Werner Faymann: Ich denke nach, wie viele andere in Österreich, was ich da gut finden soll.
Wilhelm Molterer: Dass er immer unter seinem Wert gehandelt wird.
Alexander Van der Bellen: Time to say goodbye.
H.-C. Strache: Es genügt, bei Abkürzungen zu bleiben.
Behaupten wir einfach für das BZÖ - Jörg Haider: Kommt und geht.
Fritz Dinkhauser: Die Republik muss nicht alles ausprobieren.
Heide Schmidt: Es gibt viel mehr Liberale in den anderen Parteien. Ich weiß nicht, ob das notwendig ist.

STANDARD: Ihnen wird gern das Etikett „der Liberale in der ÖVP" umgehängt. Was ist liberal an Ihnen?

Hahn: Für mich heißt Politik, Rahmenbedingungen zu definieren, innerhalb derer der oder die Einzelne sich unabhängig, auch wirtschaftlich unabhängig, bewegen und seine oder ihre Entscheidungen treffen kann. Beispiel Kindererziehung. Es muss die freie Entscheidung der Frau oder der (Ehe-)_Partner sein, wie sie die Erziehung ihrer Kinder organisieren, ob sie länger daheim bleiben oder bald nach der Geburt in den Beruf zurückkehren. Politik muss beide Entscheidungen ermöglichen. Finanziell, aber auch in der Akzeptanz durch die Gesellschaft.

STANDARD: Gesellschaftspolitisch liberal oder wirtschaftsliberal?

Hahn: Gedanklich großzügig.

STANDARD: So großzügig, dass Sie sich dem liberalen Wirtschaftssprecher Hans Peter Haselsteiner anschließen, der einen Solidaritätsbeitrag für Reiche fordert?

Hahn: Seine Überlegung, dass man von seiner zehnten Million nur noch 200.000 Euro bekommen soll, betrifft selbst im LiF nur eine Hand voll Leute und kann nicht den gewünschten Solidaritätseffekt erzeugen. Ich finde auch seine Aussage „Unvernünftig hohe Steuern für unvernünftig hohe Einkommen" seltsam. Da hat man den Eindruck, dass einer als Hobby oder Hetz ein bissl Politik macht. Was ist bitte unvernünftig?

STANDARD: Was ist für Sie denn ein unvernünftig hohes Einkommen?

Hahn: Das ist eine derartig philosophische Frage, die seriöserweise niemand beantworten kann. Ich dreh's um: Welches Einkommen ist problematisch? Ich halte Einkommen aus Finanzspekulationen für problematisch beziehungsweise gefährlich, weil da in der Regel andere zum Handkuss kommen.

STANDARD: Würden Sie diese „problematischen" Einkommenskassierer zu einem steuerlichen Solidaritätsbeitrag zwingen wollen?

Hahn: Es ist lachhaft, da nationale Ansätze zu verfolgen, das kann man nur international beantworten. Ich bin zwar skeptisch, aber man muss sich dieser Frage stellen. Der internationale Finanzmarkt hat ein 75-mal größeres Volumen als der reale Warenmarkt.

STANDARD: Unlängst ist das Originalmanuskript von Max Webers berühmtem Vortrag „Politik als Beruf" aufgetaucht. Dort nennt er als wichtigste Qualitäten für Politiker Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß". Was kennzeichnet Politik als Beruf aus Ihrer Sicht?

Hahn: Man muss auf der einen Seite Politik gelernt haben, andererseits wäre es gut, finanziell nicht von der Politik abhängig zu sein. Das sind die Spannungsverhältnisse. Zu glauben, man kann in seinen reifen Jahren in die Politik einsteigen, ganz vorne, und null Erfahrung haben, wird meistens eine Bauchlandung werden. Aber Max Webers wichtigste Erkenntnis ist für mich, dass man zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik unterscheiden muss.

STANDARD: Also: Gesinnungsethiker oder Verantwortungsethiker?

Hahn: Ein Minister hat in erster Linie Verantwortungsethiker zu sein, unter Zugrundelegung einer Gesinnung. Aber im Vordergrund steht die Verantwortung.

STANDARD: Leitkultur oder Multikulti?

Hahn: Das wäre eine Antwort auf Gesinnungs- und Verantwortungsethik.

STANDARD: Inwiefern?

Hahn: Im Sinne einer Verantwortungsethik bin ich für eine Leitkultur. Aber als Gesinnungsethiker hätte ich nichts gegen eine kulturelle Vielfalt.

STANDARD: Welche Leitkultur?

Hahn: Unsere Leitkultur ist ident mit der europäischen, das heißt für mich, dass wir die Einzigartigkeit des Individuums hochhalten. Die Leitkulturdebatte ist ja entstanden in der Auseinandersetzung mit der muslimischen Tradition.

STANDARD: Was heißt das für die Integration von Muslimen? Unterwerfung unter die Leitkultur?

Hahn:Nicht Unterwerfung, sondern Einklinken. Es macht sich etwa bemerkbar in der Frage der Rolle der Frau. Wir haben durch Jahrhunderte die Selbstständigkeit und Eigenständigkeit der Frauen erkämpft, und hinter diese Entwicklung wollen wir keinen Schritt zurücktreten.

STANDARD: Immer ÖVP gewählt?

Hahn: Es gab einmal eine Situation, da hat die ÖVP keinen Bundespräsidentschaftskandidaten aufgestellt, und da bin ich nicht der allgemeinen Wahlempfehlung gefolgt. Das ist lange her, 1980. Ich habe Willfried Gredler und nicht Rudolf Kirchschläger gewählt.

STANDARD: Warum den FPÖler und Botschafter statt Kirchschläger?

Hahn: Weil Willfried Gredler für mich die buntere Persönlichkeit, der bessere Redner war.

STANDARD: Dürfen Politiker lügen?

Hahn: Ich würde so sagen, es ist immer die Frage, ob man alles sagen muss, was man weiß, manchmal ist das nicht angebracht.

STANDARD: Was fällt Ihnen da zu „Wenn wir Dritter werden, gehen wir in Opposition" ein?

Hahn: Es gibt in der Politik schon Unschärferelationen. Angesichts der Knappheit des Wahlergebnisses nenne ich das die Schüssel'sche Unschärferelation.

STANDARD: Immer, wenn Interviews mit Ihnen online gehen, entbrennt ein Poster-Sturm über ihre Managervergangenheit beim weltweit tätigen Glücksspielkonzern Novomatic. Wieso regt das die Leute so auf?

Hahn: Unglaublich, manche Dinge sind sichtlich unausrottbar.

STANDARD: Aber wie erklären Sie sich das, dass der Job irgendwie doch als anrüchig empfunden wird?

Hahn: Ich weiß es nicht. Ich kann dazu nur sagen, ich bin stolz auf diese Periode meines Lebens. Ich habe zur Entwicklung dieses Unternehmens zu einem Global Player etwas beigetragen. Das ist ein Unternehmen, das fast zehn Prozent seines Umsatzes in Forschung gesteckt hat. Ich habe mich damals mit der Frage Glücksspiel beschäftigt, als ich überlegt habe, einzutreten. Davor war ich vielleicht ein- oder zweimal im Kasino.

STANDARD: Immerhin bringt diese Branche mit viel Glück vielleicht ein paar Glücksrittern großes Glück, aber vielen auch großes Unglück.

Hahn: Es ist Teil des Entertainment-Business, und Gott sei Dank spielen weit über 90 Prozent der Menschen zur Unterhaltung. Man kann nicht leugnen, dass es hier Suchterscheinungen gibt. Wir haben _damals unter meiner Führung begonnen, diese stoffungebundene Sucht zu beforschen. Wichtig ist, dass es klare Regulative und gesetzliche Bestimmungen gibt. Ich halte nichts davon, wie fallweise von den Grünen gefordert, Glücksspiel zu verbieten. Überall dort, wo solche Dinge verboten werden, gehen die Leute in den Untergrund, es entsteht Illegalität und daraus resultierende Kriminalität. Das ist alles nicht wünschenswert.

STANDARD: Welche Sucht außer Cola und Gummi-Naschzeug haben Sie?

Hahn: Sonne.

STANDARD: Was sagen eigentlich die giftgrünen und knallgelben Möbel in Ihrem Büro über Sie aus?

Hahn: Dass ich ungeheuer tolerant bin. Die Möbel hat meine seinerzeitige Pressesprecherin ausgesucht.

STANDARD: Wie hieße ein Wahlslogan für Johannes Hahn?

Hahn: Politik ist nicht dazu da, um den Leuten auf den Keks zu gehen. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.8.2008)