Nicht nur Chinas Webcommunity tummelt sich in der virtuellen Welt des Web 2.0, auch die Web-Polizei ist stets dabei.

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China ist anders. Auch was die Nutzung des Internet anbelangt. Diese gestaltet sich in vielen Facetten anders als im Rest der Welt. Das chinesische Mitmachweb (Web 2.0) entwickelt sich gerade zu explosiv. Für viele der laut China Internet Network Information Centre (CNNIC) 253 Millionen Nutzer ist das Netz der Netze ein täglicher Tummelplatz.

Social-Networking, Video Sharing und Blogging hat in China aus zwei Gründen einen völlig anderen Stellenwert als im Westen. Einerseits gibt es enormen Austauschbedarf der, bedingt durch Chinas Ein-Kind-Politik, oftmals als Einzelkinder aufgewachsenen jungen Generation. Andererseits führt die bis dato repressive Politik des Landes zu einem geballten Bedürfnis nach Meinungsfreiheit.

Vorsicht: Internet-Polizei

Auch im Internet setzt die Chinesische Regierung allerlei Mittel und Strategien ein, um freie Meinungsäußerung zu unterbinden. Experten schätzen, dass bis zu 50.000 Internet-Polizisten täglich das Netz auf "verbotene" Inhalte durchsuchen. China tätige massiven Investitionen in Technologien für Online-Zensur, erzählte vor kurzem Isaac Mao, einer der bekanntesten Blogger in China, während eines Österreich-Besuchs im APA-Gespräch. Auch E-Mails seien nicht sicher vor dem Zugriff der Web-Zensoren.

Die Chinesen reagieren mit einer bunten Palette an Taktiken, um sich trotzdem frei zu artikulieren und die "große chinesische Firewall" zu umgehen. So werden etwa zensierte ausländische Webseiten über Zwischenserver aufgerufen. "Diese verwandeln die Webseiten etwa von Wikipedia in eine Bilddatei, die dann an den chinesischen User geschickt wird. Die Zensur kann auf Bilddateien keine Inhalte erkennen", schildert Mao. Häufig genutzt werden auch Software-Tools zum Anonymisieren der Internet-Adressen. Etwa durch das "Tor"-System, bei dem viele zwischengeschaltete Knotenpunkte es letztendlich unmöglich machen herauszufinden, von welchem Computer aus eine Webseite abgerufen wird.

Ein weiterer beliebter Trick: Die Schriftzeichen verbotener Wörter werden nicht nebeneinander geschrieben, wodurch sie nicht von Filtersoftware entdeckt werden können. Viele wechseln überhaupt die Sprache: China lernt Englisch.

Verhalten und Vorlieben

Die Schnelligkeit mit der sich über das Netz Informationen verbreiten lassen, macht Chinas Webpolizei zunehmend zu schaffen. Blogger und politische Aktivisten suchen und finden unentwegt neue, unzensierte Orte, um der Gedankenfreiheit Raum zu geben.

Viele Erscheinungen des Web 2.0 in China sind hybride Formen westlicher Sites. Youbu zum Beispiel verbindet Musikaustausch und Social-Networking, Wealink bringt soziales und beruflich orientiertes Networking auf einen Schirm. Video-Sharing dient den Chinesen mittlerweile als Ersatz für das traditionelle, staatlich gelenkte Fernsehen. Die Web-User bevorzugen kostenlose Plattformen und profitieren von einer harten Konkurrenz auf der Angebotsseite.

Auch Online Dating findet in der Volksrepublik reges Interesse. Die Bevölkerung versucht so, das starke Ungleichgewicht der Geschlechter auszubalancieren. Es ist die Rede von einem 2:1 Ratio einsamer Männer, ebenfalls Folge der Ein-Kind-Politik bzw. kultureller Präferenz für männlichen Nachwuchs.

In einer US-Studie, die chinesische mit amerikanischen Nutzergewohnheiten vergleicht, gaben fast fünfmal so viele Chinesen wie Amerikaner an, ein paralleles Online-Leben zu führen. Überhaupt scheint der Bedarf, im Reich der Mitte Freunde zu finden, sein Sexleben zu bereichern und Meinungen anzubringen bzw. auszutauschen, erheblich höher als in den USA.

Laut CNNIC sind die Hälfte aller Netizens in China unter 25 Jahre alt. Der Zugriff auf Webinhalte erfolgt zunehmend von mobilen Geräten aus. Wer keinen eigenen Anschluss hat, geht in eines der vielerorts 24 Stunden geöffneten Internet Cafés.

Der steigende Netzkonsum zeigt jedoch auch Schattenseiten: Berichten zufolgen leiden immer mehr junge Chinesen an Internet-Sucht. In speziellen Bootcamps sollen sie davon kuriert werden. (Astrid Ollinger, DER STANDARD/Printausgabe; 8.8.2008)