So leicht macht das IOC den Chinesen die Zensur nicht madig. Es ist ja auch nicht einzusehen, dass fremde Journalisten, die sich in drei Wochen kein Komma mehr um China kümmern werden, mehr Freiheiten genießen als Chinesen. Das ist eben der Zauber des Sports: Er macht sehend, wie die Liebe. Im fetten Smog von Peking erkennt plötzlich jeder Olympiahackler und -sportler, dass saubere Luft schon ein weltweites Interesse darstellt.

Millionen von Chinesen waren dem Smog ausgesetzt, na und? Jede Abenteuerreportage aus Peking mit Bildern von sauerstoffmäßig mangelversorgten Sportlern und Journalisten freilich ist ein Erkenntnissprung: Wenn wertvolle Westkörper jammern, ist der Smog böse. Hoffentlich kapiert bis zum Ende der Spiele jeder, dass Frischluft weiterhin wünschenswert wäre.

Ohne Gnade rüttelt die olympische Bewegung an der chinesischen Mauer des Schweigens. Bevor die Spiele überhaupt begonnen haben, hat der fahrende Zirkus den Chinesen großen Nutzen gebracht. Die Zerstreuung durch das sportliche Programm ist lediglich die Draufgabe. Die Sportler werden sich an die widrigen Umstände natürlich gewöhnen, eine im Smogalarm errungene Goldene zählt doppelt und Edelmetall ist immun gegen Pestluft.

Chinas Regime ist nicht so blöd, um nicht zu wissen, was es mit den Spielen riskierte.

Genau das wollte es: Alle wissen lassen, wie es hier zugeht. Damit sie endlich mit den Reformen anfangen können, ohne die ausländischen Partner und Investoren zu verschrecken.(Johann Skocek, DER STANDARD, Printausgabe, Freitag, 8. August 2008)