Wien - Die E-Wirtschaft verlangt von der Politik auf Bundes- und Landesebene mehr Unterstützung beim erforderlichen Ausbau des Stromnetzes und auch raschere Genehmigungen durch eine Straffung der Verfahren. In der Raumordnung müsse darauf geachtet werden, dass Leitungskorridore freigehalten und nicht verbaut werden, forderten Spitzenvertreter der Branche am Mittwochabend vor Journalisten. Bis 2015 will man eine Milliarde Euro in die Stromnetze investieren.

Ein fehlender Netzausbau verhindere die von Brüssel und Wien vorgegebenen ambitionierten Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien für den Klimaschutz und gefährde darüber hinaus die Versorgungssicherheit, warnen die Stromverteiler und -erzeuger.

"Die Infrastrukturpläne gehören außer Streit gestellt", verlangt Thomas Karall vom Übertragungsnetzbetreiber Verbund-Austrian Power Grid (APG). "Es bedarf geeigneter Rahmenbedingungen, um die versprochenen Ziele bei Erneuerbaren zu erreichen", so Kelag-Vorstand Hermann Egger. Eine dezentrale Einspeisung biete keine Netzentlastung, betonte der Chef der Verbund-Austrian Hydro Power (AHP), Herbert Schröfelbauer, der aber einräumt, dass auch durch die Liberalisierung Planungsmöglichkeit beim Netz fehle. "Ein isoliertes Agieren der Marktteilnehmer wird nicht funktionieren", so Karall.

Leitungskorridore unverbaut halten

Von der Raumordnung her müssten einmal festgelegte Leitungs-Korridore unverbaut gehalten werden, es dürften dort auch keine Baugebiete neu gewidmet werden, da etwa für 380-kV-Leitungen links und rechts der Leitungen 70 Meter freizuhalten seien, um ein Hundertstel des Magnetfeld-Grenzwerts nichts zu überschreiten, sagte APG-Vorstandsdirektor Heinz Kaupa."Die Raumplanung wäre Aufgabe der Bundesländer", so Kaupa, "derzeit ist es aber nicht möglich, bestehende Trassen freizuhalten." Wie in der Verkehrsplanung sollte die Politik auch zu den Strom-Autobahnen geeignete Institutionen schaffen, "wir werden da mitwirken", so Egger von der Kelag.

Die Genehmigungsverfahren könnte man nach Meinung von Kaupa von der APG "relativ einfach beschleunigen". So sollte es etwa aus seiner Sicht nicht mehr möglich sein, nach der mündlichen Verhandlung bis zu einer Bescheid-Ausstellung weiterhin immer wieder neue Eingaben zu machen. Egger berichtete, dass sich deshalb bei der Kelag ein Verfahren von ein auf drei Jahre verlängert habe. Zu den Grenzwerten seien Klarstellungen nötig, so Kaupa. In Österreich habe man etwa schon Schweizer Richtwerte einfach zu Grenzwerten gemacht. Änderungen wären auch zu den Parteien-Ladungen angebracht. Zudem müsse man sich fragen, ob der Umweltsenat als zweite Instanz nötig sei bzw. wenn ja, ob dann noch der VwGH als unabhängige Instanz erforderlich sei.

 

"Masterplan Netz" in Überarbeitung

Bis zum Jahr 2015 will die E-Wirtschaft rund eine Milliarde Euro an Investitionen in die heimischen Strom-Netze stecken. Derzeit wird der "Masterplan Netz" vom Übertragungsnetzbetreiber Verbund-Austrian Power Grid überarbeitet, so Kaupa. Abgesehen vom geplanten 380-kV-Ringschluss durch die Steiermark- und die Salzburg-Leitung geht es um wichtige Aufrüstungen bestehender Leitungen in den kommenden sieben, acht Jahren.

So soll etwa die Drautal-Leitung von 220 auf 380 kV umgestellt werden, Trafos Richtung Tirol verstärkt werden, ein zweites System auf der bestehenden Leitung nach Ungarn installiert und bei Linz das Netz ausgebaut werden. Für die Strom-Abteilungen aus dem Windkraft-Potenzial im Nordosten Österreichs soll die Weinviertel-Leitung, derzeit 220 kV, für 380 kV betreibbar gemacht werden, wie Kaupa am Mittwochabend vor Journalisten erläuterte.

Während die Lücke im 380-kV-Netz in der Steiermark nun zügig geschlossen wird, hängt der Lückenschluss der Ringleitung in Salzburg noch immer. Nach Einsprüchen zum positiven Bescheid zweiter Instanz ist nun der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) am Wort, der, so hofft der Verbund, im Herbst zugunsten des Leitungsbaus entscheidet. Insgesamt werden ohne Salzburg- und Steiermark-Leitung in den nächsten Jahren an die 250 km 380-kV-Leitung in Österreich nötig sein, das Drautal teils schon inklusive. Auf 220-kV-Ebene sind es 40 bis 50 km.

Zum rasanten Windkraft-Ausbau gibt die E-Wirtschaft zu bedenken, dass für jedes neue Windrad etwa im selben Ausmaß eine andere Erzeugungseinheit (kalorisch oder Wasserkraft) vorgehalten werden muss. Pumpspeicherwerke dienen etwa zum Ausgleich der nicht verbrauchskonformen, starken Schwankungen der Stromerzeugung aus Windkraftanlagen, erinnert Verbund-AHP-Chef Herbert Schröfelbauer.

Schattenkraftwerk

Zu den derzeit knapp 1.000 MW Windkraft (entspricht 2.000 GWh) sollen - Stichwort: Ausbau Erneuerbare Energien - bis 2015 nochmals 700 MW hinzukommen. Zur Abfederung müsste dann, so Schröfelbauer, ein "Schatten-Kraftwerk" mit 650 MW mitfahren. Zum Wind gibt andererseits Bewag-Vorstand Josef Münzenrieder zu bedenken, dass der Ökostromtarif zu niedrig ist: Am Mittwoch etwa sei man mit 78 Euro pro MWh kaum unter dem Strombörse-Preis von 84 Euro je MWh gelegen. Bei der Wasserkraft mit im Vorjahr rund 35.000 GWh Erzeugung sollen bis 2020 etwa 7.000 GWh zusätzlich zur Verfügung stehen. Zu diesem "Masterplan Wasserkraft" gibt es auch einen Beschluss der Bundesregierung.

Vom theoretischen Gesamtpotenzial an Wasserkraft in Österreich von 56 TWh (56.000 GWh) sind 38 TWh bereits ausgebaut. Von den restlichen 18 TWh könnten - ohne Antasten von Nationalparks (Hainburg) oder Weltkulturerbe (Wachau) - 13 TWh wirtschaftlich sinnvoll realisiert werden, davon die besagten 7.000 GWh (7 TWh) bis zum Jahr 2020. Das "technisch-wirtschaftliche Potenzial" von 13 TWh liegt großteils (5,3 TWh) in Tirol, gefolgt von Steiermark (2,1 TWh), Salzburg (1,6 TWh) und Vorarlberg (1,2 TWh); in OÖ und NÖ ortet man 800 bzw. 600 GWh.

Mit einer Realisierung der 7 TWh Wasserkraft bis 2020 für 8,4 Mrd. Euro könnte der Anteil erneuerbarer Energien in Österreich von derzeit 23,3 auf 25 Prozent gesteigert werden und der Anteil der Wasserkraft von 58 auf 69 Prozent. Das reicht bei weitem nicht, um die Klimapaket-Ziele Österreichs zu erreichen: Hier ist bis 2020 ein Anteil Erneuerbarer am Endenergieverbrauch von 34 Prozent verankert. (APA)