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Sieben Jahre nach dem Tod von fünf Menschen durch Milzbranderreger in den USA sind die Anschläge aus Sicht der Behörden aufgeklärt.

Foto: HO/REUTERS

Washington - Die US-Justiz hat einen ihrer spektakulärsten Kriminalfälle in diesem Jahrzehnt geklärt zu den Akten gelegt: Mit einer Indizienkette und einer Beweisführung im Ausschlussverfahren wurde der Militärwissenschaftler Bruce Ivins zum Urheber der Milzbrandattacken erklärt, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA Angst und Schrecken verbreiteten und fünf Menschen das Leben kosteten. Der Washingtoner Staatsanwalt Jeffrey Taylor sagte am Mittwoch: "Wir glauben, wir hätten seine Schuld vor einem Geschworenengericht nachweisen können."

Dazu wird es nicht mehr kommen: Der 62-jährige Ivins nahm sich in der vergangenen Woche das Leben - kurz bevor die Staatsanwaltschaft ihre Anklage erheben wollte. Der Wissenschaftler arbeitete in einem Labor des US-Heeres in Fort Detrick im US-Staat Maryland an Gegenmitteln gegen biologische Waffen, vor allem gegen Milzbrand. Die Ermittler sagen, Ivins sei von Kritik an einem von ihm entwickelten Milzbrandimpfstoff gekränkt gewesen und habe Erreger aus seinem Labor per Post verschickt, um Unterstützung für seine Forschung zu bekommen - wie ein Feuerwehrmann, der Feuer legt, um eine bessere Ausstattung der Feuerwehr zu erreichen.

Die Beweiskette fügt Indizien in einem klassischen Ausschlussverfahren zusammen, an deren Ende Ivins' Schuld bewiesen sein soll. DNA-Untersuchungen haben ergeben, dass die bei den Anschlägen verwendeten Sporen aus einem speziellen Bestand stammten, den es nur in Ivins' Labor gab und zu dem nur er Zugang hatte. Um die Ermittler in die Irre zu führen, habe er ihnen Sporen mit einer anderen DNA-Struktur ausgehändigt.

Fehlende Beweise

Aber es fehlen auch wichtige Beweise. Die Staatsanwälte können Ivins nicht wirklich mit dem Briefkasten in Princeton, New Jersey in Verbindung bringen, in den die Milzbrand-Briefe eingeworfen wurden. Sie nennen keinen Zeugen, der Ivins dabei beobachtet hat, wie er Milzbranderreger in die Umschläge füllte. Und falls sie Milzbrandsporen in seinem Auto oder in seiner Wohnung gefunden haben sollten, teilen sie es nicht mit.

Ivins soll psychische Probleme gehabt haben, sagen die Staatsanwälte. Sie hätten sonderbare E-Mails und Rezepte von Psychiatern gefunden. Zu dem Briefkasten in Princeton führt eine Spur: Eine Studentinnenvereinigung, die Ivins offenbar seit seiner Studentenzeit hasste und deren Büro nur wenige hundert Meter entfernt ist.

Zu Beginn der Ermittlungen waren internationale Terroristen und vor allem Al Kaida im Visier der Ermittler. Nach einer Spurensuche in allen Kontinenten endeten sie sozusagen im eigenen Hinterhof.

Ivins' Anwalt Paul Kemp überzeugen die Indizienbeweise nicht: "Sie haben einen seltsamen Burschen genommen und ihn des Massenmordes für schuldig befunden." Und weiter: "Ich glaube nicht, dass er es getan hat." Die Staatsanwaltschaft habe nur überzeugend Gründe für eine Fortführung der Ermittlungen vorgelegt. "Aber ich denke, sie sind am Ende. Sie sind ausgebrannt und wissen nicht weiter."

Also werde der Fall für gelöst erklärt und die Akte geschlossen. Zwei Kongressabgeordnete aus New Jersey, die die Anhörung verfolgten, kamen zu unterschiedlichen Ansichten. "Es ist ein sehr überzeugender Fall", sagte der republikanische Abgeordnete des Repräsentantenhauses, Chris Smith.

Sein demokratischer Kollege Rush Holt blieb dagegen skeptisch: Er befürchtet, dass das FBI Fehler wie bei den Ermittlungen gegen Ivins' Kollegen Steven Hatfill wiederholt habe, der zur Wiederherstellung seines guten Rufes eine Entschädigung von 5,8 Millionen Dollar (3,75 Millionen Euro) einklagte. "In beiden Fällen haben sie in der Biografie einer eigenartigen Persönlichkeit geforscht um dann daraus zu schließen, dass die Persönlichkeit wegen ihrer Eigenartigkeit auch bösartig sein könnte. Das ist ein Sprung, den man normalerweise im Gericht nicht macht." (APA/AP)