Das Spiel mit dem Ab- und Anlegen von Kostümen dürfen in Gülsün Karamustafas "The City and the Secret Panther Fashion" auch die Besucher ausprobieren.

Foto: Salzburger Kunstverein

Salzburg - Gerade eben sind sie noch im Wildkatzenlook, grellen Pantermuster-Catsuits und gefleckten Highheels durch die Wohnung gestöckelt. Und obwohl sie, nachdem die schwere Wohnungstür hinter ihnen ins Schloss gefallen ist, wenige Augenblicke später und Stockwerke tiefer in Alltagskleidung auf die sonnige Straße treten, haben sie keine Kostümierung abgestreift. Ganz im Gegenteil:Sie haben eine angelegt.

Die extravagante Story von den Panterdamen - The City and the Secret Panther Fashion -, die Gülsün Karamustafa, gerne "Grande Dame" der zeitgenössischen türkischen Kunst genannt, im Salzburger Kunstverein erzählt, ist im Grunde eine ganz alltägliche Geschichte von Frauen in Istanbul, eine Geschichte kostümierter Identitäten. Ihr Video in der Ausstellung Mobile Stages erzählt von Frauen, die ihren aufgezwungenen Rollenbildern nur im Verborgenen entkommen können.

Die Flucht ins Geheime wird von Karamustafa, 1946 in Ankara geboren, sehr verrucht inszeniert. Die Trauben, die die Damen sich - am Bett räkelnd, und damit auf orientalische Klischees anspielend - in die knallrot geschminkten Münder stecken, wirken wie sündige, verbotene Früchte. Ein Ausflug jenseits der Konventionen, begrenzt auf die Zeit von "9 to 5" . Jene Zeit also, wenn andere arbeiten und die zum "Nichtstun" Verdammten der Unterdrückung durch ihre berufstätigen Ehemänner am leichtesten entfliehen können. Das Private ist politisch.

Den Rückzug in Tagträume soll auch die Inszenierung von Karamustafas jüngster Videoarbeit, die die Künstlerin in eine Rauminstallation gebettet hat, ermöglichen:Ein Paravent, ein bequemer Plüschsessel und ein beträchtliches Panterfashion-Potpourri verführen den Besucher zu (Ent-)Kostümierungsversuchen. Gute Idee, aber auch das gedimmte Licht macht aus der Ausstellungshalle kein intimes Boudoir.

Die in Istanbul, der Metropole am Bosporus, lebende Künstlerin arbeitet seit dem Jahr 2000 bevorzugt im Medium Video, weil es ihr ermöglicht, ganze Geschichten zu den Themen Migration, Identität und der Politik ihres Landes zu erzählen, poetische Momente einzufangen und historische wie soziale Zusammenhänge zu veranschaulichen. Zunächst weniger fiktional wie The City ..., sondern mehr dokumentarisch, wie etwa in ihren Arbeiten Personal Time Quartet (2000) oder Men Crying (2001), die bereits in der Wiener Kunsthalle und im Mumok zu sehen waren. Der Fokus im Kunstverein, das betont auch die zweite Videoinstallation der Ausstellung (Tailor Made, 2005), beleuchtet gelungen die Rolle der Frau in der Türkei. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.8.2008)