Wolfgang Louzek: "Wenn die Politik etwas für schützenswert hält, dann soll sie das bitte schützen - das ist ihr unbenommen. Aber bitte nicht auf Kosten des einzelnen Hauseigentümers."

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derStandard.at: Herr Louzek, Sie treten seit Jahren dafür ein, dass die Geschäftsraummieten aus dem Mietrecht herausgenommen werden. Jetzt will die Justizministerin einen Gesetzesvorschlag einbringen, der für die Hausbesitzer wieder eine Verschlechterung bedeutet. Haben Sie das Gefühl, dass Sie mit der Politik auf gleicher Augenhöhe verhandeln?

Wolfgang Louzek (lacht): Wer kann schon mit der Politik auf gleicher Augenhöhe verhandeln? Aber im Ernst: Das hat ja jetzt nicht unmittelbar etwas miteinander zu tun, denn vom 2. MILG ist ja jeder Liegenschafts-Eigentümer betroffen, nicht nur die Institutionellen. Ich glaube schon, dass wir als Verband es geschafft haben, uns soweit zu etablieren, dass wir von der Politik wahrgenommen werden. Aber man darf sich natürlich nicht der Illusion hingeben, dass gleich jeder sagt: "Wunderbar, das machen wir!", nur weil man wahrgenommen wird und Forderungen hat. So funktioniert die Politik nicht. Man kann nur stetig dranbleiben und immer wieder die Argumente vorlegen. Also etwa bei den Geschäftsraummieten zu deponieren: Es kann wohl nicht wahr sein, dass wir jetzt im 21. Jahrhundert gelandet sind, und im Grunde immer noch ein Mietrechtsregime haben, das aus 1917 stammt. Und das dann noch dazu absurder Weise auf Geschäftsraummieten angewendet wird.

derStandard.at: Ist das nicht in gewisser Weise auch ein Kampf gegen Windmühlen, den Sie da führen? Denn selbst die Wirtschaftskammer, die auch Kleinunternehmer zu vertreten hat, kann ja wohl kein Interesse daran haben, dass die Geschäftsraummieten dem freien Markt überlassen werden?

Louzek: Richtig ist, dass bei den Geschäftsraummieten die Wirtschaftskammer wahrscheinlich mehr Interesse daran hat, Dinge zu bewegen - oder auch nicht zu bewegen -, als manch andere politische Kraft. Richtig ist aber auch, dass die WKO nicht nur aus der Handelssektion besteht - denn die tritt ja stets mit dem berühmten Märchen der vielen Greißler, die davon betroffen sein sollen, auf. Ich weiß zwar nicht, wo die alle sein sollen, aber jedenfalls werden die gerne als Beispiel gebracht. Und da gilt unser Spruch: Wenn die Politik etwas für schützenswert hält, dann soll sie das bitte schützen - das ist ihr unbenommen. Aber bitte nicht auf Kosten des einzelnen Hauseigentümers, sondern auf Kosten der sozialen Töpfe, die dafür zur Verfügung stehen, beziehungsweise in Form von Zuschüssen oder anderen Förderungen. Zu sagen: "Der, dem das Haus gehört, in dem sich dein Geschäft befindet, der hat leider ein Pech gehabt, der darf mit seiner Immobilie keinen marktgerechten Ertrag erzielen" - das ist absurd.
Und man darf nicht auf das Märchen hineinfallen, dass da so viele Kleine davon betroffen seien, das ist ja nicht wahr. Sicher kommt es bei gewissen Standorten bei einer Geschäftsnachfolge oder -aufgabe natürlich zu Mieterhöhungen, das ist richtig. Aber wenn der berühmte Greißler oder der berühmte Installateur sagt, "Mir ist es hier zu teuer", dann braucht er nur drei Gassen weiter zu gehen, dort kann er sich's leisten. Nicht die Hauseigentümer bringen die Geschäfte um. Ein Geschäftsinhaber muss eben auch so einen Standort wählen, wo er die Miete erwirtschaften kann.

derStandard.at: Würde es für Sie einen brauchbaren Kompromiss bedeuten, wenn man die Geschäftsraummieten aus dem Mietrechtsgesetz herausnimmt, also dem freien Markt überlässt, und dafür das 2. Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz kommt?

Louzek: Ja, wenn mir das jemand garantieren könnte, dass es dabei dann bleibt und die Spirale sich nicht weiterdreht, mit den zehn Prozent, dann könnten die Mitglieder unseres Verbandes damit leben, glaube ich. Das Problem dieses Vorschlags ist aber: Es ist nur eine Verschiebung, sogar eine Vergrößerung des Problems. Denn wenn die Mieten dann gleich um zehn Prozent steigen, gibt es den nächsten, größeren Aufschrei. An der Inflation als solcher wird dieser Gesetzesvorschlag nicht das Geringste ändern. Das ist nur eine Verlagerung des Problems auf die nächste Regierung. So kann man aber nicht agieren.
Es werden in diesem Zusammenhang gerne Wohnkosten mit Mietkosten vermischt. Die Wohnkosten sind sogar über Index gestiegen, die Mieten - im regulierten Bereich, muss man dazu sagen - darunter. Deshalb müssten die Gebietskörperschaften sagen: Wir hören mit der Gebührenerhöhung auf für einen gewissen Zeitraum - das würde etwas bringen.

derStandard.at: Sie haben diesbezüglich aber auch noch mit einem anderen Vorschlag gebracht, nämlich die Mehrwertsteuer zu senken oder überhaupt auszusetzen.

Louzek: Richtig. Wenn wir schon so große Mehreinnahmen aus Steuereinnahmen haben, wie wir gerade gelesen haben, dann könnte man doch zumindest zeitlich befristet die Mehrwertsteuer für Mieten aussetzen. Das wäre eine spürbare Erleichterung. Wenn etwa bei einem Wegfall der Mehrwertsteuer plötzlich gleich zehn Prozent von den Wohnkosten wegfallen, dann hat man endlich einmal ordentliche Beträge bewegt.
Der Vorschlag der Justizministerin ist ein Wahlzuckerl. Und die Eigentümer kommen dabei zum Handkuss. Aber der einzelne Hauseigentümer ist nicht für das soziale Wohnen in diesem Land verantwortlich. Das ist die Politik, die das sicherzustellen hat. Und wir sind sehr dafür, dass die Politik das sicherstellt, dass wir nicht der völlig freien Marktwirtschaft ausgesetzt sind, sondern der sozialen Marktwirtschaft, wie wir sie kennen. Aber das darf nicht aus den Töpfen Einzelner geschehen.
Liegenschaftseigentum ist kein kapitalistischer Auswuchs, sondern das ist genau so ein Investment wie wenn man einen Fonds kauft, Geld auf ein Sparbuch legt oder Pfandbriefe kauft. Da kommt auch keiner auf die Idee, zu sagen: So eine Schweinerei, der hat einen alten Pfandbrief, mit dem er noch soundsoviel verdient - da kürzen wir gleich mal was. Wo kommen wir denn da hin? Da ist schon noch einiges an Ungleichgewicht da, das man einfach einmal überprüfen sollte, ob es noch angemessen und zeitgemäß ist.

derStandard.at: Würde das Preisniveau der neuen Mietverträge, also jener ab 1994, sinken, wenn man die Alt-Mietverträge abschafft?

Louzek: Das lässt sich schwer seriös sagen. Ich glaube, wenn diese Wohnungen zu marktwirtschaftlichen Bedingungen auf dem Markt sind, dann wird der Markt das auch regeln. Die extremen Spitzen werden herunterkommen, und die dann nicht mehr geregelten werden hinaufgehen, das wird sich regulieren. Ein dramatisches Halbieren der Mieten wird aber wohl nicht kommen.

derStandard.at: Könnte da nicht auch die Bauwirtschaft extrem davon profitieren?

Louzek: Natürlich würde dieses Geld zum Teil in die Bauwirtschaft fließen, denn es geht ja auch insbesondere im Althausbereich um Erhaltung bzw. Modernisierung der Objekte. Wenn ein Haus hundert Jahre alt ist, dann steht das sicher noch einmal hundert Jahre. Aber vermietbar und bewohnbar ist es nur dann noch einmal hundert Jahre lang, wenn man in das Objekt laufend investiert. Das ist ja auch der Grund, warum wir immer predigen: Beschränkt den Eigentümern die Ertragsmöglichkeiten nicht, denn das kommt alles der Volkswirtschaft zugute. Da haben alle was davon - inklusive dem Herrn Finanzminister, der alles über die Mehrwertsteuer retour bekommt.
Wenn man aber in den eh schon geregelten Bereich noch mehr eingreift, sodass es nicht einmal mehr inflationsgesichert ist, was der Hausbesitzer verdient, dann kommt eine investitionsfeindliche Stimmung auf. Aus wahrer Nächstenliebe tut nämlich keiner was - auch nicht der Hauseigentümer. In keinem anderen Zweig unseres Landes kommt jemand auf die Idee, solche Eingriffe ins Privateigentum zu machen, wie sie hier hemmungslos passieren.

derStandard.at: Zurück zu den Geschäftsraummieten: Sinken würden diese durch ihre Forderung, sie aus dem MRG herauszunehmen, aber wohl kaum?

Louzek: Nein. Nicht durch unseren Vorschlag. Geschäftsraummieten sinken dann, wenn die Nachfrage nach den Geschäften nicht da ist - siehe diverse Straßen in Wien.
Meist spricht man ja, wenn es um Geschäftsraummieten geht, um eine Strecke von nicht einmal einem Kilometer, nämlich dem Kohlmarkt und dem Graben in Wien und ein Stückerl von der Kärntner Straße. Im Sinne des MRG ist aber alles Geschäftsraum, was nicht zum Wohnen verwendet wird - also auch Ordinationen, Räume von Notaren, Lager, Bürogebäude, etc. Das alles unterliegt teilweise absurden Schutzbestimmungen, die im Jahr 1917 für die zurückgebliebenen Familien und Kriegerwitwen des 1. Weltkriegs erfunden wurden - natürlich unzählige Male novelliert, sodass sich ohnehin nur noch eine Handvoll an Experten wirklich damit auskennt.

derStandard.at: Da sollte jetzt ohnehin endlich eine Bereinigung kommen...

Louzek: Darauf warten wir schon lange, und das stand auch schon in diversen Regierungsprogrammen. Bisher ist es aber immer nur noch einen Schritt komplizierter geworden.
Wir geben natürlich nicht auf, wir diskutieren das und versuchen weiterhin klarzustellen: Erstens, die Geschäftsraummieten müssen heraus, und zweitens gehört das Mietrechtsgesetz als Ganzes so vereinfacht, dass auch der Mieter, der ja geschützt werden soll, noch versteht, was eigentlich gilt und was nicht. Und die Politik muss sich auch einmal überlegen: Soziales Wohnen, Schutz von bestimmten Typen von Geschäften - alles wunderbar, aber bitte nicht auf Kosten Einzelner, sondern auf Kosten der Allgemeinheit! Wenn sich jemand die Miete nicht leisten kann, dann soll man ihn mit einem entsprechenden Zuschuss bedienen. Aber die, die zufällig noch rechtzeitig einen Mietvertrag geerbt haben, unabhängig von ihrem Einkommen oder davon, ob sie einen Beruf in dieser Wohnung ausüben, sind privilegiert. Und jetzt schiebt man ihnen auch noch die Erhöhung der Miete hinaus. Völlig vorbei an jenen, die gemeint sind, daher trifft man wahrscheinlich die, die's wirklich notwendig haben, nur zu einem geringen Teil.

derStandard.at: Zum Thema Immobilieninvestitionen in Österreich: Kürzlich gab es die Meldung, dass der österreichische Markt im 1. Halbjahr 2008 der internationalen Finanzkrise getrotzt habe. Allerdings war der im Vergleich zu anderen Ländern sehr geringe Rückgang der Immobilieninvestitionen einer einzigen sehr großen Transaktion, nämlich dem Verkauf der SCS für 607 Millionen Euro an Rodamco, geschuldet. Was glauben Sie, wie wird es weitergehen?

Louzek: Schwierig. Jeden Tag liest man neue Prognosen, der Boden sei schon erreicht oder noch lange nicht. Es ist leider so, dass eine Finanzkrise - die ja nur dadurch entstand, dass Banken Objekte mit Summen belehnt haben, die diese bei weitem nicht Wert waren - sich jetzt auf den realen Wert einer Immobilie durchschlägt, und auf die Investitionsfreude, weil alle besonders vorsichtig sind. Nur hat das mit dem realen Immobilieninvestment in Österreich oder in Europa nicht unmittelbar etwas zu tun. Es wird nicht dramatisch nach unten gehen, aber die Stimmung ist doch ein bisschen abwartend. Es ist ja nicht so, dass die Immobiliengesellschaften kein Geld hätten, zu investieren. Aber jeder sagt: Warten wir, schauen wir, beobachten wir. Fremdfinanzieren ist auch schwieriger geworden, weil die Banken weniger Risiko eingehen und Abstriche machen bei dem, was überhaupt finanziert wird. Die gesamte Krise, ausgelöst in den USA, hat natürlich alle in gewisser Weise betroffen; das spürt man. An massive Einbrüche in Österreich glaube ich aber keinesfalls. So sehen wir das auch als institutionelle Investoren. Die börsennotierten sind natürlich schwer gebeutelt worden, die sind jetzt alle unterbewertet, weil ihre Substanzwerte weit höher sind. Aber Börse ist auch Psychologie - das hat mit realen Werten nicht immer was zu tun.

derStandard.at: Zusammenfassend - Ihre Forderungen an die nächste Regierung?

Die Situation der Geschäftsraummieten zu überprüfen und diese als Ergebnis dieser Überprüfung aus den mietrechtlichen Bestimmungen auszunehmen und wie jedes andere Wirtschaftsgut dem freien Markt zu überlassen. Auch auf dem Wohnungssektor gehören die Bestimmungen durchforstet, die Altmieten schrittweise an das Marktniveau herangeführt - natürlich mit Übergangsfristen und allem, was dazugehört.

derStandard.at: Und der Kündigungsschutz?

Der Kündigungsschutz - nicht die geltenden Bestimmungen, sondern der Gedanke an sich - ist etwas, das zu unserer Kultur dazugehört, da würden auch wir nicht propagieren, alles über Bord zu werfen. Was man sich anschauen könnte sind die Kündigungsgründe, die ja gesetzlich normiert sind. Sind sie richtig formuliert? Welche davon sind noch zeitgemäß, welche sind totes Recht, weil sie nie in der Rechtsprechung durchzubringen sind? Was könnte man tun, dass Kündigungsgründe auch wirklich umgesetzt werden können und nicht an der Rechtsprechung scheitern? Auch in Sachen Verfahrensbeschleunigung herrscht Handlungsbedarf.
Eigentum ist ein Gott sei Dank in Österreich weit verbreiteter Zustand. Und den Althausbestand wird's nur geben, wenn man auch die Erträge aus diesen Häusern macht. Denn sonst geht die Entwicklung zurück in die 70er-, 80er-Jahre, wo Sie überall überwiegend schwarze Fassaden und abgewohnte Häuser gesehen haben. Der Zustand, wie wir ihn heute haben, ist nämlich eine Entwicklung der letzten 20, 25 Jahre.
Auf dem Gradmesser der Liberalität war das Richtwertmietensystem ein Rückschritt, da hatten wir schon bessere Zeiten, wo es mehr Möglichkeiten im angemessenen Bereich gab. Und wenn ich jetzt Dinge höre wie Deckelung des Richtwerts und der Zuschläge und so weiter, da verkrampft's mich überhaupt gleich, weil das ein Schritt noch viel weiter zurück wäre. Da sind wir dann bald wieder im Jahr 1917. (Martin Putschögl, derStandard.at, 7.8.2008)