Sarajevo/Wien - Die Festnahme des wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagten ehemaligen Führers der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, hat nach den Worten des Vorsitzenden des Staatspräsidiums von Bosnien-Herzegowina, Haris Silajdzic, "nichts geändert an der politischen Realität" in dem multiethnischen Balkanstaat. "Karadzic wurde verhaftet, sein Projekt lebt aber noch immer fort", sagte der bosniakisch-muslimische Politiker in einem ORF-Radiointerview im Ö1-Morgenjournal am Mittwoch. Die Serbische Republik (Republika Srpska) ist für Silajdzic ein "Symbol für den Völkermord".

Von dem Haager Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien (ICTY), vor dem sich der erste Präsident der "Republika Srpska" verantworten muss, erwartet der Staatspräsidiumsvorsitzende, dass es sich nicht nur auf das Massaker von Srebrenica konzentriere, sondern "neue Tatsachen ans Licht bringt". Man dürfe nicht "Dokumente zurückhalten", wie dies im Fall des vor Prozessende verstorbenen serbischen und jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic aufgrund einer Vereinbarung zwischen Belgrad und dem Tribunal vorgekommen sei, betonte Silajdzic. Die internationale Gemeinschaft sei verpflichtet, "die Folgen des Völkermordes zu beseitigen".

"Schwer von Demokratie zu sprechen"

Zur Fragmentierung der Gesellschaft in Bosnien-Herzegowina bemerkte der Präsidiumsvorsitzende, dass es "in einem derartigen System sehr schwer ist, von Demokratie zu sprechen." Die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Bosnien-Herzegowina war durch das Dayton-Befriedungsabkommen von 1995 in zwei separate Entitäten (Gebietseinheiten) - die Serbische Republik und die Bosniakisch-Kroatische Föderation - geteilt worden. Das unter internationaler Vormundschaft stehende Gebilde ist institutionell weitgehend gelähmt. Jede Einheit verfügt über eine eigene Regierung, ein eigenes Parlament und eigene Polizeieinheiten. Der Zentralstaat soll unter internationaler Kuratel reformiert werden. (APA)