Peking/Wien - Wenige Tage vor dem Beginn der Olympischen Spiele in Peking hat die kommunistische Führung in Peking ein neues Gesetz vorgestellt, das sich als bahnbrechend für die Durchsetzung demokratischer Wahlen auf lokaler Ebene erweisen könnte. Eine Revision der Organgesetze für die Dorf- und Stadtkomitees sieht nämlich erstmals Strafen für Wahlfälschung und Stimmenkauf vor, den beiden Methoden, mit denen die lokalen Führer der kommunistischen Partei bisher ihre Macht sicherten.

Die Vorlage wurde vom Ministerium für zivile Angelegenheit ausgearbeitet, muss jedoch noch vom Staatsrat bestätigt und vom Nationalen Volkskongress verabschiedet werden, berichtet die englischsprachige Staatszeitung "China Daily" am Montag. Im bisher geltenden Gesetz gebe es weder eine Definition von Wahlfälschung noch würde diese bestraft. Dies werde in der neuen Vorlage geändert, erläuterte der zuständige Ministeriumsbeamte Wang Jinhua. Er räumte ein, dass Wahlfälschung viel weiter verbreitet sei als dies die offiziellen Zahlen - ein bis drei Prozent - zeigten. Viele Dorfbewohner würden nämlich nicht zugeben, dass sie Geld für ihre Stimmabgabe genommen hätten.

Eingeschränkte Bürgerbeteiligung

China ist auch nach drei Jahrzehnten wirtschaftsorientierter Reform- und Öffnungspolitik eine kommunistische Ein-Parteien-Diktatur. Auf lokaler Ebene gibt es seit den 1990er Jahren unterschiedliche Formen der Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungen, meist konnten sich die dortigen Parteiführer jedoch erfolgreich gegen ihre Entmachtung wehren. Neben Wahlfälschung und Stimmenkauf werden auch Schlägertrupps eingesetzt, um die Dorfbewohner auf Linie zu halten. Eine Reihe von Korruptionsskandalen hat jedoch die kommunistische Führung in Peking dazu veranlasst, durch Gesetzesänderungen für mehr Transparenz und Kontrolle in den Provinzen zu sorgen.

Laut "China Daily" gibt es im ganzen Land 611.234 Dorfkomitees mit 2,4 Millionen Mitgliedern. Wang verwies auf die hohe Wahlbeteiligung von 90 Prozent, die das außerordentliche Interesse der Dorfbewohner an dieser Form der Mitbestimmung zeige. Die Rechtsprofessorin Mo Jihong von der halbstaatlichen Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften (CASS) sagte der Zeitung, dass die Dorfwahlen zum "Rückgrat" des Demokratisierungsprozesses in China werden könnten. Die neue Vorlage sehe zudem vor, dass in den Städten künftig auch Wanderarbeiter das Stimmrecht erhalten sollen. Die aus den Provinzen kommenden Arbeiter haben in den Städten bisher keine sozialen Rechte und sind der Ausbeutung durch ihre Arbeitgeber oft schutzlos ausgeliefert.

Parteidokumente wichtiger als Gesetze

Wie groß der Demokratisierungsschub durch das neue Gesetz sein wird, muss sich erst weisen. Menschenrechtler betonen, dass Rechtsreformen in China bisher nur sehr mangelhaft umgesetzt wurden. So wies der bekannte Regimekritiker He Weifang kürzlich darauf hin, dass Menschenrechte nach westlichem Muster zwar auf Verfassungsebene verankert seien, "aber oft sind Parteidokumente wichtiger als Gesetze". (APA)