Berlin - Der Vorsitzende der deutschen Gewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, hat nach heftiger Kritik an seinen Freiflügen in der ersten Klasse der Lufthansa nun Fehler eingeräumt und angekündigt, die Gratis-Tickets nachträglich zu bezahlen. Er sei "im Rahmen der für alle Aufsichtsratsmitglieder der Lufthansa geltenden Regelungen" nach Los Angeles geflogen, sagte Bsirske der "Bild-Zeitung" (Montagausgabe). "Ich habe allerdings die Brisanz, die dieser Flug in der öffentlichen Wahrnehmung ausgelöst hat, unterschätzt. Das war falsch", sagte der Gewerkschaftschef dem Blatt weiter.

Bsirske versprach zugleich, seine Fehlentscheidung zu korrigieren: "Ich habe daher das Büro des Aufsichtsrats gebeten, mir die Kosten des Flugs vollständig in Rechnung zu stellen." Kritisch merkte der Gewerkschafts-Chef an, dass offenbar für Arbeitnehmervertreter andere Maßstäbe gelten als für Anteilseigner: "Das Kontingent an Freiflügen steht allen Aufsichtsratsmitgliedern der Lufthansa AG zu - den Vertretern der Arbeitnehmer und Anteilseigner gleichermaßen. Es wird hier aber offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen. Es ist eben nicht dasselbe, wenn zwei das Gleiche tun."

Die "Bild"-Zeitung hatte am Freitag berichtet, dass Bsirske, der stellvertretender Aufsichtsratschef der Lufthansa ist, in Begleitung seiner Frau gratis mit der Airline erster Klasse in den Südsee-Urlaub geflogen sei. Kurz nach dem Flug hatte der Streik begonnen, zu dem Verdi im Tarifkonflikt mit der Lufthansa aufgerufen hatte. Mehrere Politiker aus Union und FDP forderten Bsirske am Wochenende zum Rücktritt auf.

Lange Liste

Die Liste der prominenten Gewerkschaftsvertreter in Aufsichtsräten ist lang: IG-BCE-Chef Hubertus Schmoldt sitzt etwa bei Bayer und E.ON, der bayerische IG-Metall-Vorsitzende Werner Neugebauer bei BMW, ver.di-Vorstand Uwe Foullong bei der Commerzbank, DGB-Chef Michael Sommer bei Postbank und Telekom, und auch der in die Kritik geratene Bsirske hat neben seinem Posten als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei der Lufthansa noch ein Mandat beim Energiekonzern RWE.

Aufsichstratsposten sind lukrativ - laut einer Erhebung der "Welt am Sonntag" für das Jahr 2007 verdiente ein Aufsichtsratsmitglied bei einem DAX-Konzern im Schnitt 124.510 Euro, die Vorsitzenden erhielten demnach durchschnittlich 297.000 Euro.

Doch während die Vertreter der Anteilseigner über ihre Einkünfte aus dieser Tätigkeit weitgehend frei verfügen können, führen die Arbeitnehmervertreter die so genannten Tantiemen zum allergrößten Teil an die Gewerkschaft ab. Die Kontrolle ist relativ einfach und effektiv, schließlich ist in der Regel leicht einsehbar, wer über ein entsprechendes Aufsichtsratsmandat verfügt und wie hoch dieses dotiert ist.

Überbleibsel

Der Leiter des Instituts für Arbeit und Wirtschaft (IAW) in Bremen vertrat selbst die Interessen der Arbeitnehmer unter anderem im Aufsichtsrat der Allianz und der Salzgitter AG. Mit dem abgeführten Geld würden bei den Gewerkschaften unter anderem Vertreter geschult, die dann wiederum die Interessen der Arbeitnehmer in Aufsichtsräten verträten. "Dieses Recycling der Honorare halte ich für eine sehr gute Idee", sagt er.

Problematisch wird es bei so genannten geldwerten Vorteilen. Einige Energiekonzerne gewährten Aufsichtsratsmitglieder beim Strom Rabatte, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete. Hotels böten Gratisübernachtungen an, und früher habe es für Mitglieder des Kontrollgremiums bei Automobilunternehmen auch mal einen neuen, fast kostenlosen Wagen gegeben. Diese Zeiten sind mittlerweile vorbei - weitgehend zumindest, wie die Freiflüge Bsirskes zeigen.

"Das ist ein Überbleibsel der Pfründeökonomie", sagt Hickel und fordert die Abschaffung aller geldwerten Vorteile für Aufsichtsratsmitglieder. Zudem solle ein Verhaltenskodex für alle Mitglieder solcher Gremien geschaffen werden - also nicht nur für die Gewerkschafter.

Grundsätzlich gebe es ein Spannungsfeld zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und denen des Unternehmens, denen die Mitglieder des Aufsichtsrats verpflichtet seien. Dieser Konflikt dürfe aber nicht dazu führen, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Aufsichtsräten eingeschränkt werde. Oft könnten die Arbeitnehmer die Interessen des Unternehmens sogar besser vertreten, etwa bei geplanten Übernahmen oder wenn es darum gehe, die Motivation der Mitarbeiter zu stärken. (APA)