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Bei der "Familienaufstellung nach Hellinger" kennt nur der Therapeut die Lösung - Die Aufstellung kann für Betroffene äußerst belastend sein

Foto: APA/dpa/Frank Leonhardt

In Bezug auf Systemische Familientherapie denken viele als Erstes an Aufstellungen. "Hast du schon einmal deine Familie stellen lassen?" - ist eine Frage, die Ratsuchende heute nicht selten von Freunden hören. Vor allem die "Familienaufstellung nach Hellinger" findet zahlreiche Anhänger.

Bert Hellinger, der sich selbst als "Lebenslehrer" bezeichnet, entwickelte eine isolierte Form der Familienaufstellung: In etwa einer halben Stunde soll der Klient die Ursachen für seine aktuellen Probleme in seinen familiären Verstrickungen erkennen.

Wenige Angaben genügen

Den Therapeuten interessieren dabei nur sehr wenige Angaben vonseiten des Klienten: Wer gehört zur engsten Familie? Gab es Totgeborene, Frühgeburten oder besondere Schicksale wie eine Behinderung? Und: Hatte jemand von den Eltern oder Großeltern vorher eine andere feste Bindung? Diese Personen sind für die Familienstruktur, wie sie sich in der Gegenwart gestaltet, wichtig - es wirken besondere Kräfte zwischen ihnen.

Weitere Details über das Leben des Klienten würden laut Hellinger allerdings die phänomenologische Wahrnehmung der Familienproblematik nur stören.

Herumschieben

Der Klient wählt dann aus der anwesenden Gruppe Personen als Stellvertreter für sich selbst und für die Mitglieder seiner Familie aus. Dann stellt er sie im Raum auf und schiebt sie so lange herum, bis die Abstände zwischen den Personen für ihn stimmig sind. Nun wird der Klient zum Zuschauer. Der Therapeut fragt die Stellvertreter, wie sie sich in ihrer jeweiligen Position fühlen. Schließlich werden die Personen vom Therapeuten umgestellt, bis alle den "richtigen" Ort gefunden haben, der für sie "in Ordnung" ist. Das vom Therapeuten kreierte Schlussbild soll dann gemeinsam mit versöhnenden Sätzen, die die Klienten sprechen müssen, auch gleichzeitig die Probleme auflösen.

Nur der Therapeut kennt die Lösung

Hellinger entwickelte für seine Aufstellungen etwa die von der Familientherapeutin Virginia Satir entwickelte "Familienskulptur" weiter, die in der Systemischen Familientherapie heute vielfach angewendet wird. Doch während nach Satir Therapeut und Klient gemeinsam im Gespräch Lösungsmöglichkeiten finden, kennt bei Hellinger die Lösung für den Klienten ausschließlich der Therapeut.

Keine Nachbetreuung

Bei den Teilnehmern lösen solche Aufstellungen häufig starke emotionale Regungen aus - wobei heftige Erlebnisse in gruppendynamischen Prozessen und Rollenspielen in der Systemischen Familientherapie schon lange bekannt sind. Hellinger behauptet allerdings, dass die von den Teilnehmern erlebten Gefühle sich mit denen der realen Familienangehörigen und Ahnen des Klienten decken. In Fachkreisen ist Hellinger äußerst umstritten. Denn für die Klienten können die "Erkenntnisse" oft extrem belastend sein - Nachbetreuung ist bei Hellinger allerdings keine vorgesehen -, was in krassem Widerspruch zum allgemeinen Verständnis von psychologischer und psychotherapeutischer Arbeit steht. (Sabina Auckenthaler, DER STANDARD, Printausgabe, 4.8.2008)