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Zipi Livni (hier mit Barack Obama und Verteidigungsminister Barak) hat besten Chancen, neue Premierministerin Israels zu werden.

Zipi Livni gilt nicht als besonders volksnah. Entscheidende Reden sind von ihr bisher nicht überliefert. Ihre Feinde sagen, sie habe sich bei wichtigen Entscheidungen stets gedrückt. Trotzdem ist die israelische Außenministerin die beliebteste Politikerin des Landes. Sie hat die besten Chancen, den scheidenden Premier Ehud Olmert zu beerben. Laut einer Umfrage liegt Livni mit der Kadima-Partei sogar vor dem rechtskonservativen Oppositionschef Benjamin Netanyahu. Es ist die erste Umfrage seit zwei Jahren in Israel, die Netanyahu nicht an der Spitze sieht.

Der Aufstieg von Livni begann mit dem Fall Olmerts und Katzavs. Die Spitzenpolitiker sorgten für die beiden größten Skandale des vergangenen Jahres: Der eine, Präsident Katzav, musste nach Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs abtreten. Olmert stolperte über eine Korruptionsaffäre. Livni blieb sauber, sie präsentierte sich als Kraft der Erneuerung. Als Olmerts Verteidiger zugaben, dass der Premier fragwürdig, aber nicht rechtswidrig gehandelt hat, konterte Livni, dass es nicht nur ums Gesetz gehe. Es sei auch eine Frage der Moral. Das saß.

Livni wurde am 5. Juli 1958 in Tel Aviv geboren. Sie entstammt einer rechtskonservativen Familie, ihr Vater sabotierte Züge der britischen Mandatsmacht in Palästina. Der familiäre Traum von einem Großisrael sollte Livni noch lange prägen. Nach ihrer Armee-Zeit trat sie dem Geheimdienst Mossad bei. Hieß es früher, sie habe dort als Kanzleikraft gearbeitet, wird nun verbreitet, dass sie als Agentin in Europa palästinensische Terroristen gejagt habe.

Nach der Tätigkeit beim Geheimdienst studierte Livni Jus und arbeitete als Anwältin. Ihre Berufung in die Politik kam spät: 1999 zog sie für Likud ins Parlament ein. Ihr politischer Ziehvater Ariel Sharon machte sie 2001 zur Ministerin. Livni setzte sich wie Sharon für den einseitigen Abzug Israels aus dem Gazastreifen ein. Als Sharon sich deswegen mit vielen Parteifreunden im Likud überwarf und die Kadima gründete, folgte ihm Livni.

Von Großisrael redet Livni nicht mehr. Sie vertritt die Meinung, dass Israel sich von den Palästinensern abkoppeln müsse, um eine jüdische Mehrheit im Land zu erhalten. Als Außenministerin führte sie zuletzt die Verhandlungen mit den Palästinensern. Dass sie nicht weiterkamen, schadete ihrem Ruf bisher genauso wenig wie das Faktum, dass sie bereits 2006 im Kabinett saß, als Israel den Libanonkrieg führte. Livni ist verheiratet und hat zwei Kinder. (András Szigetvari/DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.8.2008)