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Main Press Center in Peking.

Foto: REUTERS/Daniel Aguilar

Die chinesische Staatsführung hat am Freitag kleine Zugeständnisse bei der Internet-Zensur gemacht. Zumindest im Pressezentrum in Peking wurden mehrere bisher geblockte Seiten freigegeben, berichteten Journalisten.

Neben jener der BBC ist nun auch die Webseite von Amnesty International zugänglich. Allerdings: offenbar nur die erste Seite der Homepage. Wikipedia soll am Vormittag freigeschaltet worden sein, war aber am Nachmittag erneut nicht abrufbar. Seiten der in China verbotenen Falun-Gong-Bewegung und Free-Tibet-Kampagnen wurden wie bisher zensiert. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte dagegen noch mitgeteilt, dass Journalisten Zugang zu allen Seiten bekommen würden.

"Sicherheitsparanoia"

Dass China im Vorfeld der Olympischen Spiele das Internet für Medienvertreter zensiert, verblüfft selbst Experten. 2001, im Zuge eines Gipfels des Asien-Pazifik- Forums (Apec) in Schanghai beispielsweise, wurde das Internet für alle Konferenzteilnehmer, also auch für Medienvertreter freigegeben, erinnert sich Gudrun Wacker, China-Spezialistin der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik.

Verantwortlich für den autoritären Kurs sei eine "Sicherheitsparanoia" innerhalb der chinesischen Führung, sagt Wacker. Der Auslöser: die Proteste der Bevölkerung in Tibet im März und die gefühlte Bedrohung durch Terrorgruppen. "Hinzu kommt, dass die chinesischen Behörden generell Angst davor haben, Zugeständnisse zu machen. Denn bisher war es so, dass sie für Entgegenkommen keinen Applaus vom Westen bekommen haben, sondern sofort mit neuen Forderungen konfrontiert waren."

"Nicht einzigartig"

Wacker warnt aber davor, alle Aktionen Chinas unter dem Aspekt zu analysieren, dass da ein repressives Regime an der Macht sei. Ein Teil der strikten Sicherheitsbestimmungen, etwa die vielen Kontrollen in der Pekinger U-Bahn, geschehen aus Angst vor Störungen und Anschlägen. "Dieses Vorgehen ist nicht einzigartig. Auch in Deutschland wurde schließlich beim G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm ein Sperrwall rund um das Tagungszentrum errichtet." Die China-Expertin rechnet mit Störungen und politischen Aktionen von Tibetern und Mitgliedern der Falun Gong bei den Spielen: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die sich diese Chance entgehen lassen." Ein sicheres Rezept dafür, wie China zu einer demokratischen Öffnung bewegt werden könnte, sieht auch Wacker nicht.

Ein Boykott der Spiele durch den Westen hätte jedenfalls nur negative Auswirkungen auf die Demokratiebewegung im Land, ist sie überzeugt. Wenn zu starke Kritik von außen komme, gebe es stets eine nationalistische Gegenreaktion. "Zudem wäre ein Boykott des Westens der Beweis für China gewesen, dass es nicht als gleichberechtigtes Mitglied der Staatengemeinschaft akzeptiert wird", sagt Wacker. (András Szigetvar, DER STANDARD; Printausgabe, 2./3.8.2008)