Wien - Die USA und Indien kamen in ihrer umstrittenen Nuklearkooperation am Freitag einen entscheidenden Schritt weiter: Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien segnete ein Abkommen über IAEO-Inspektionen ziviler indischer Atomanlagen ab - eine Grundvoraussetzung für die Umsetzung des Atomdeals zwischen Washington und Neu-Delhi. Die Entscheidung sei einstimmig gefallen, wie ein Sprecher mitteilte.

Der Pakt kommt einer De-facto-Anerkennung des international bisher als Atom-Paria behandelten Indien als Nuklearstaat gleich und stößt auf heftige Kritik. Das Abkommen würde es den USA und anderen Staaten erlauben, nach über drei Jahrzehnten des Boykotts wieder Nukleartechnologie und Brennstoffe nach Indien zu liefern. Neu-Delhi besitzt Atomwaffen und ist - wie die Atomstaaten Pakistan und Israel auch - nie dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten.

Die IAEO-Inspekteure sollen unter anderem sicherstellen, dass kein Material aus den von Indien als zivil deklarierten Anlagen in das militärische Programm, das außerhalb internationaler Kontrolle bleibt, abgezweigt wird. Die Überwachung betrifft 14 von 22 Reaktoren, die es bereits gibt oder sich im Bau befinden. Die Zustimmung des Gouverneursrats gilt als sicher.

Befürworter des Deals argumentieren, der Atomstaat werde damit wenigstens teilweise unter Aufsicht gestellt. "Der IAEO zu erlauben, diese Anlagen zu überwachen, ist ein Nettogewinn für das internationale System der Nichtweiterverbreitung" von Atomwaffen, erklärte der US-Botschafter bei der IAEO, Gregory Schulte.

Kritiker führen an, Indien werde für sein außerhalb des internationalen Systems betriebene Nuklearprogramm auch noch belohnt. Experten der Arms Control Association wiesen im Vorfeld der IAEO-Sitzung auf Unklarheiten in dem Entwurf für das Inspektionsabkommen hin und forderten von Indien unter anderem Garantien, die Überwachung nicht einseitig aufzukündigen.

Eine schwierigere Hürde als die IAEO dürfte die Zustimmung der Nuclear Suppliers Group (NSG) zu dem Deal werden. Die 45 Lieferstaaten von Atomtechnologie, darunter Österreich, werden voraussichtlich am 21./22. August erstmals in Wien über das Abkommen beraten. Wien zählt zu den Skeptikern des Deals. Die NSG untersagt bisher Atomgeschäfte mit Staaten, die nicht Mitglied des Atomwaffensperrvertrags sind. Auch der US-Kongress muss noch grünes Licht geben. Die US-Regierung strebt das noch vor den Wahlen an. (Julia Raabe/DER STANDARD, Printausgabe, 1.8.2008)