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Ärztin ohne Berührungsängste: Adelheid Kastner

Foto: APA/ KH WAGNER-JAUREGG

 Linz - Es war nur ein kurzer Anruf, der Adelheid Kastner ins Zentrum des internationalen Medieninteresses rückte. Telefonisch wurde die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom zuständigen Gericht in St. Pölten gebeten, den Geisteszustand von Josef F. zu untersuchen. Die 46-Jährige saß seitdem wiederholt jenem Mann gegenüber, der verdächtigt wird, seine eigene Tochter 24 Jahre in ein Kellerverlies gesperrt und mit ihr sieben Kinder gezeugt zu haben.

Emotionen ausklammern

Und auch wenn sie im Moment zur Causa F. "nichts sagen kann und will", herangegangen ist Kastner an den Fall in sachlicher und professioneller Weise. "Ich sehe es als meine Aufgabe, mit meinem Gutachten die Fragen des Gerichts bestmöglich zu beantworten", gibt die verheiratete Linzerin einen Einblick in ihre Arbeit. Ob es nicht gerade im Fall Amstetten schwer sei, sachlich zu bleiben und Emotionen auszuklammern? "Es wäre unmenschlich zu sagen, es berühre einen alles gleich. Aber es gibt Dinge, die einen sicher nachhaltiger berühren als andere. Das Ausmaß der Berührung muss man aber mit sich selber regeln", ist die Fachärztin überzeugt.

True crime-Romane

Kastner wurde im August 1962 in Linz geboren. Nach der Matura folgte das Medizinstudium in Wien. Die Psychiaterin, die zuletzt auch im Fall der verwahrlosten Kinder vom Linzer Pöstlingberg Gutachten erstellte, war stellvertretende ärztliche Leiterin der Psychiatrischen Klinik Wels, gründete und leitete dann die forensische Sonderkrankenanstalt in der Justizanstalt Wels. Mit November 2005 wurde Kastner das Primariat der forensischen Abteilung an der Linzer Landesnervenklinik Wagner-Jauregg übertragen. Kastner: "Seit dem Kindergarten wollte ich Ärztin werden und in der Mittelschule hab' ich 'true crime'-Romane auf Englisch verschlungen."

Nur in einem Land mit Todesstrafe könne sie nicht arbeiten. "So sehr ich ein Delikt verabscheuen kann, so glaube ich, dass kaum ein Mensch von Grund auf böse ist", ist Kastner überzeugt.

Kein Tag ohne Bach

Abschalten kann die leidenschaftliche Hobbygärtnerin mit eigenem Grün vor ihrem Linzer Haus am Besten mit der Musik von Johann Sebastian Bach: "Es vergeht kein Tag ohne Bach. Seine Musik holt mich immer runter und ordnet mich. Ganz egal, in welcher Stimmung ich bin". Fixer Tagespunkt ist bei Kastner ein Spaziergang mit Hund Racky. "Bitte, da ist die Schreibweise ganz wichtig. Nicht wie das griechische Nationalgetränk Raki", mahnt Kastner. Racky fristete nämlich sein Dasein bis zum Neuanfang im Forensiker-Haushalt ursprünglich als Rocky im Linzer Tierheim. "Auf den Namen hat er gehört, also konnte ich ihn nicht umtaufen. Da habe ich eben nur einen Buchstaben geändert." "Rocky" war ihr zu martialisch. (Markus Rohrhofer/ DER STANDARD Printausgabe 31.7.2008)